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scobel - Drogen als Medizin
Von der illegalen Droge zum Heilmittel: Werden psychedelische Substanzen wie LSD oder "Zauberpilze" schon bald als Arzneien gegen Depressionen, Angststörungen und Schmerzen eingesetzt?
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- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 21.11.2024
Neue wissenschaftliche Experimente
Gert Scobel diskutiert mit der Historikerin Magaly Tornay, dem Psychiater Franz Vollenweider sowie dem Philosophen und Neuroethiker Thomas Metzinger über neue Therapien mit halluzinogenen Drogen.
Franz Vollenweider untersucht seit Längerem, wie Depressionen mit Psychedelika behandelt werden können. Jahrzehntelang war die Beschäftigung mit Psychedelika in der medizinischen Forschung in Deutschland und weltweit tabu. Seit rund zehn Jahren finden in der Schweiz wieder wissenschaftliche Experimente mit psychoaktiven Substanzen statt.
Enormes Potential
Voraussichtlich 2020 startet in Deutschland die weltweit größte Studie zur Therapie behandlungsresistenter Depressionen mit Psilocybin. Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim unternimmt sie in Kooperation mit der MIND Foundation und der Universitätsmedizin der Berliner Charité. Die Forscher sehen ein enormes Behandlungspotenzial.
Historisch betrachtet unterliegt die Zuordnung einer Substanz in die Kategorie Medikament oder illegale Droge einem starken Wandel. Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann war für den Pharmakonzern Sandoz auf der Suche nach einem Kreislaufmedikament, als er 1943 zufällig die halluzinogene Wirkung des LSD entdeckte, das er aus dem Getreidepilz Mutterkorn isoliert hatte. In den 1950er- und 1960er-Jahren forschten überall auf der Welt Wissenschaftler an Therapiemöglichkeiten mit dem Stoff, bis die US-Regierung die Experimente des Harvard-Psychologen Timothy Leary und seinen Aufruf zur Liberalisierung des Konsums zum Anlass nahm, ein Verbot zu erlassen. Allerdings setzte das Militär seine Forschung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fort.
Gesellschaftliches Interesse an der Erforschung
Jetzt erhoffen sich Mediziner und Therapeuten von den Psychedelika einen Paradigmenwechsel bei der Behandlung psychischer Leiden, vor allem im Kampf gegen die global ansteigenden Depressionserkrankungen. Das Besondere an vielen psychoaktiven Substanzen ist, dass sie keine Abhängigkeit und keine Entzugserscheinungen erzeugen. Beides kann mit gängigen Medikamenten verbunden sein. Der neue Trend des Microdosing in den USA, der Einnahme minimaler Dosen von Halluzinogenen zur Steigerung der Kreativität und Leistungsfähigkeit, ist ein weiterer Ausdruck des steigenden gesellschaftlichen Interesses an solchen Stoffen.
Was passiert mit Gehirn und Psyche bei der Einnahme von Halluzinogenen? Was weiß die Wissenschaft bereits über ihre Wirkung gegen Depressionen und Angststörungen? Und inwiefern eigenen sich psychoaktive Drogen als "Bewusstseinstechnik" - durchaus auch in Konkurrenz zum Achtsamkeitsboom? Wie könnte eine Therapie mit diesen Stoffen aussehen, und wie könnten Politik und Gesellschaft einen ethischen Umgang mit den bewusstseinsverändernden Substanzen erreichen?
Die Gäste
Magaly Tornay ist Historikerin und erforscht in Bern und Zürich die Geschichte des Wissens und der Medizin, der Psychiatrie und der Ethik.Ihre Dissertation „Zugriffe auf das Ich“ hat die Historie von psychoaktiven Stoffen und Personenkonzepten in der Nachkriegszeit zum Thema.
Thomas Metzinger ist Professor für Theoretische Philosophie an der Gutenberg Universität Mainz und erforscht philosophische Probleme der Neurowissenschaften und der angewandten Ethik. Er gehört zum wissenschaftlichen Beirat der Europäischen Mind Foundation for Psychedelic Science.
Franz X. Vollenweider ist Professor für Psychiatrie an der Universität Zürich. An der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich gründete und leitet er das Heffter Forschungszentrum und untersucht dort die Wirkung und das therapeutische Potenzial von Halluzinogenen.