Aus einem Kautschukbaum fließt der weiße Saft in einen gut tassengroßen Becher und formt sich zu einer Kugel.

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Das Lieferkettengesetz stößt an seine Grenzen

Das EU-Lieferkettengesetz soll garantieren, dass nach Europa keine Rohstoffe kommen, für die Regenwald gerodet wurde. Doch bei Kautschuk ist dies kaum möglich.

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Von Berndt Welz

Die Münchner Sportartikel-Messe Ispo bekam vor kurzem ganz besonderen Besuch: Mai Loyen, CEO der thailändischen Agrarkooperative Agriac warb für nachhaltigen Kautschuk. Die 3000 Agriac-Kleinbauern bewirtschaften ihre Plantagen streng nach den Richtlinien des FSC. Die Zertifizierungs-Organisation verlangt erhöhte Standards bei Arbeitsbedingungen, sowie die Verpflichtung, keinen Regenwald für neue Kautschukplantagen zu roden.

Kautschuk wird vor allem auch in den Sohlen von Sportschuhen verarbeitet. Bei deren Herstellern stieß Mai Loyen auf offene Ohren. Aus einem ganz konkreten Grund: Beim Import von Gütern in die EU sollen Menschenrechte, die Umwelt und der Schutz der für das Klima so unverzichtbaren Regenwälder Priorität haben. Eine entsprechende Regelung wird wohl spätestens Ende 2024 umgesetzt werden. Verstoßen Unternehmen gegen das neue EU-Lieferkettengesetz, drohen ihnen Strafen.

Sechs Millionen Kleinbauern

Die Bestimmungen gelten auch für landwirtschaftliche Rohstoffe aus den Tropen, wie Palmöl, Kakao, Kaffee oder Soja. Bei diesen Rohstoffen wird der Nachweis relativ einfach sein. Die Eigentümer der oft riesigen Plantagen sind meistens Unternehmen, die ihre europäischen Abnehmer direkt beliefern. Folglich ist die Lieferkette kurz und meistens eindeutig.

Im Falle von Naturkautschuk liegen die Dinge anders. 85 Prozent der Plantagen gehören sechs Millionen Kleinbauern mit maximal zwei Hektar Land. Naturkautschuk kommt in rund 40.000 Produkten vor: In Gummistiefeln, Latexhandschuhen, Kondomen bis hin zu Belägen von Sportanlagen. Doch rund 70 Prozent der weltweiten Ernte wird für die Produktion von Reifen verwendet. Der Rohstoff ist unverzichtbar vor allem für die Reifenprofile.

Die Gier nach Gummi

Die Geschäfte laufen gut. Pro Jahr werden rund 1,7 Milliarden Neureifen produziert. Auf Europas Reifenhersteller kommt mit dem neuen Lieferkettengesetz aber einiges zu. Denn bis der Kautschuk in den Pneu kommt, hat er nach der Ernte für gewöhnlich bis zu sieben Zwischenhändler hinter sich. Bevor es zur Verschiffung nach Europa geht, wird der Kautschuk in riesigen Tanks gesammelt. Transparenz ist dabei so gut wie unmöglich.

Deswegen gehen Autoreifenhersteller dazu über, selber Kautschuk auf eigenen, riesigen Plantagen anzubauen. Michelin schult auf seinen Industrieplantagen auf Sumatra und in der Elfenbeinküste Arbeiter, will dadurch mehr Kautschuk aus seinen Plantagen herausholen und auch Kinderarbeit verhindern. In Jambi auf Sumatra hat das französische Unternehmen allerdings die Kritik von Umweltorganisationen auf sich gezogen. Michelin wird vorgeworfen, Investoren im Jahr 2018 wissentlich eine Kautschuk-Plantage als grüne Geldanlage angeboten zu haben, die kurz zuvor noch intakter Regenwald war. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

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Löwenzahn als Kautschukersatz?

Der deutsche Reifenhersteller Continental geht andere Wege. Zwar bezieht auch er seinen Gummi aus Südostasien und schult ebenfalls Bauern. Doch ist es dem Konzern gelungen, nachhaltigen Kautschuk mit Flüssigkeiten zu markieren. Mit dieser Art Stempel, so Conti, sei eine Nachverfolgung möglich.

Mit Forschern des Fraunhofer Instituts in Münster arbeitet Continental außerdem an einer Alternative zum Kautschuk aus den Tropen: Latex, also flüssiger Kautschuk, aus den Wurzeln des russischen Löwenzahns liefert die gleiche Qualität. Er ist genauso stabil und reißfest. Doch es wird voraussichtlich noch zehn Jahre dauern, bis er industriell zur Autoreifenproduktion eingesetzt werden kann. Zumindest für Fahrradreifen wird er schon verwendet.

Vom Mitkonkurrenten Michelin wird der Löwenzahn kritisch beurteilt. Es sei in den nächsten Jahrzehnten keine Alternative zum Naturkautschuk aus den Tropen ersichtlich, sagt Entwicklungschef Cyrille Roget.

Eine App für mehr Transparenz

Mit digitaler Technik arbeitet Agriac, die thailändische Kooperative von Mai Loyen. Die 3000 Kleinbauern sind mit Handys und Apps ausgestattet und registrieren darauf ihre tägliche Ernte. Mit den Kautschuk-Fabriken, zu denen der Rohstoff in großen LKWs gelangt, besteht eine direkte Beziehung, ganz ohne Zwischenhändler.

Mai Loyen verspricht völlige Transparenz in den Lieferketten. "Bei uns bleiben die Plantagen im Besitz der Familien, die über Generationen ihr Land bestellen", sagt Mai Loyen. Auf der Münchner Sportartikel-Messe Ispo sorgte sie für großes Interesse bei den Sportartikelherstellern. Auch ein italienischer Reifenproduzent zählt schon zu den Kunden.

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