Dokumentation
Die Kanarischen Inseln - Im Reich der Feuerberge
Die opulenten Bilder aus der Hand von Michael Schlamberger und die Erzählstimme von Peter Simonischek führen in Spielfilmlänge in ein vielfältiges, zum Teil bizarres Naturparadies: Die Kanarischen Inseln.
- Produktionsland und -jahr:
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 08.02.2025
Einst nannte man sie "Inseln am Rande der Welt". Als der antike Geograf Ptolemäus um ca. 150 n. Chr. die erste Landkarte der Welt erstellte, waren sie noch genau das: das Ende der alten Welt. Seither hat die wechselvolle Geschichte menschlicher Kolonisation Spuren hinterlassen, und die Kanarischen Inseln wurden zum exotischen Paradies für jährlich zwölf Millionen Touristen.
Wenige Plätze der Erde wurden vom Menschen so stark verändert und haben dennoch ihre Wildheit bewahrt wie die Kanaren. Jede einzelne der sieben Kanaren-Inseln ist ein Kontinent im Kleinen. Wenn subtropische Nebelwälder auf karge Vulkanlandschaften treffen und schneebedeckte Gipfel bei Sonnenuntergang ihre kegelförmigen Schatten aufs tiefblaue Meer drücken, ist es eine Reise durch nahezu alle Klimazonen dieser Erde. Den Küsten vorgelagert sind marine Schutzräume. Dort können sich die Bestände großer Meeressäuger, unter anderem die der Grindwale, langsam wieder erholen.
Alisio - der alles bestimmende Passatwind
Etwas östlich der Kanarischen Inseln, auf gleicher geografischer Breite und kaum mehr als hundert Kilometer entfernt, liegt die trocken-heiße Sahara mit ihren riesigen Sanddünen. Wie kann es sein, dass auf einer Inselgruppe im Einflussbereich dieser Wüstenzone das ganze Jahr Frühling ist, mit dichten, subtropischen Urwäldern und schneebedeckten Gipfeln?
Die Antwort heißt "Alisio". So nennen die Einheimischen den Passatwind. Dieser weht beständig von Nordost und ist die Grundlage des vielfältigen Lebens auf den Kanaren; denn er bringt Wasser, selbst im Sommer. Auf seiner langen Reise über den Atlantik nimmt der Alisio große Mengen an Feuchtigkeit auf. Trifft er auf die Inseln, stauen sich mächtige Wolkenbänke an den steilen Flanken. Die in der Luft gespeicherte Feuchtigkeit kondensiert und nährt ein einmaliges Naturjuwel: subtropische Lorbeerwälder. Das Wasser fällt hier nicht als Regen auf die Erde. Vielmehr "melken" die mächtigen Lorbeerbäume die Wolken und sorgen dafür, dass dicke Wassertropfen von ihren Blättern auf den Boden fallen. Diese urtümlichen, mystischen Wälder gibt es nur auf den Kanaren. Der spektakulärste von ihnen befindet sich auf La Gomera, im Nationalpark Garajonay.
Die El-Hierro-Rieseneidechse - sie galt schon einmal als ausgestorben
Als die Dinosaurier bereits ausgestorben waren und sich die Tiere und Pflanzen entwickelten, wie wir sie heute kennen, ging auf El Hierro, der kleinsten und entlegensten Insel der Kanaren, ein Tier an Land, das zwischendurch schon einmal als ausgestorben galt: die El-Hierro-Rieseneidechse.
Auf einem unzugänglichen Felsen im Meer hat sie als lebendes Fossil überdauert. Dieser Block, der "Roque de Salmor", fernab von Menschen und eingeschleppten Räubern wie Katzen, Hunde und Ratten, wurde zur letzten Zufluchtsstätte für die legendären Echsen. Es ist ein Leben am Limit: Etwa 150 bis 200 Miniaturdrachen gibt es noch auf dem winzigen Felsen, und die verdanken ihre Existenz einer Möwenkolonie. "Wie so viele Echsen auf dem beinahe vegetationslosen Monolithen existieren und sich sogar fortpflanzen können, war lange Zeit ein Rätsel. Der Felsen ist praktisch unzugänglich, wir mussten von einem Helikopter springen, um hier filmen zu können", erzählt Michael Schlamberger.
Die Kanarischen Inseln entstanden vor 20 Millionen Jahren, als es in den Tiefen des Atlantiks gewaltig brodelte. Vulkane brachen am Meeresboden aus - und nacheinander tauchten Inseln aus dem Meer auf: Lanzarote und Fuerteventura sind die ältesten; vor zwölf Millionen Jahren entstanden Gran Canaria, La Gomera und Teneriffa; La Palma und El Hierro, ganz im Westen, sind die jüngsten Kanareninseln mit einem Alter von ein bis zwei Millionen Jahren. Die Kanaren wurden aus Feuer geboren, und bis heute ist der Archipel nicht zur Ruhe gekommen. "Isla de Fuego y Agua" - "Insel aus Feuer und Wasser", so nennen die Einheimischen Lanzarote. Ab 1730 war die Insel für einige Jahre das Epizentrum eines apokalyptisch anmutenden Naturphänomens, das eine der dramatischsten Vulkanlandschaften der Erde hinterlassen hat: die Feuerberge von Timanfaya. Momentan ruht der Vulkan und gibt dem Leben wieder eine Chance. Timanfaya wurde zum Nationalpark erklärt, und was aussieht wie die Hölle auf Erden, ist ein Labor des Lebens, in dem man Zeuge der Evolution in ihren Anfängen wird.
Höchste Erhebung Spaniens
Fast 4.000 Meter ragt die beeindruckende Silhouette von El Teide auf Teneriffa über den Meeresspiegel. Er ist der dritthöchste Inselvulkan der Welt und nicht nur die höchste Erhebung der Kanaren, sondern ganz Spaniens. El Teide ist ein schlafender Gigant. Rund um seine Caldera hat er eine riesige, außerirdisch wirkende Landschaft mit Kratern, Vulkanen und Lavaströmen geschaffen. Ihr vulkanischer Ursprung macht die Kanarischen Inseln auch unter Wasser zu einem spektakulären Naturparadies. Die maritime Landschaft ist bizarr und geheimnisvoll. Seltsam aussehende Kreaturen wie Schmetterlingsrochen gleiten durch unterseeische Lavahöhlen, und seltene Engelhaie lauern im schwarzen Vulkansand auf Beute.
Spektakuläre Wasserwelt
Bis zu acht Meter lang und drei Tonnen schwer sind Grindwale, auch Pilotwale genannt. Sie leben in Schulen bis zu 30 Tieren und folgen einem Leittier, daher auch der Name Pilotwale. Dieses Leittier ist immer ein Weibchen. Die Aufgabe der großen Männchen, der "Machos", ist es, die Familie gegen Eindringlinge zu verteidigen.
Regisseur Michael Schlamberger: "Wenn diese intelligenten Tiere uns erlaubt haben, mit ihnen zu schwimmen, war es jedes Mal ein äußerst emotionales Erlebnis. Sie sind ständig miteinander in Kontakt und kümmern sich rührend um ihre Jungen. In einer solchen Situation haben wir die ergreifendsten Momente dieser Dreharbeiten erlebt, als ein 'Macho' ein totes Neugeborenes tagelang an der Oberfläche hielt, weil er es nicht aufgeben wollte."
Meeresströmungen und vorherrschende Winde haben Tiere und Pflanzen von überall her über den Atlantik auf die abgeschiedenen Inseln gebracht. Viele sind geblieben und haben sich dabei im Lauf der Evolution spezialisiert und an ein abgeschiedenes Inselleben angepasst. Neue Arten sind dadurch entstanden, die nirgendwo sonst auf der Welt existieren. Andere Tiere kommen von weit her, um nur einen Teil des Jahres auf den Inseln zu verbringen, wie die Gelbschnabelsturmtaucher, die aus Südamerika kommen. Die Eleonoren-Falken hingegen kommen aus Madagaskar und queren den afrikanischen Kontinent. Sie unternehmen jedes Jahr diese gefährliche, lange Reise, um dann gut geschützt in den schroffen Vulkanklippen zu brüten und ihre Jungen aufzuziehen.
Vielfalt an Klimazonen, Landschaften und Arten
Zwei Jahre lang dauerten die Dreharbeiten zu diesem Film. Dabei entstanden mehr als 100 Stunden Bildmaterial, und das Filmteam wurde Zeuge vieler kleiner Dramen. Einer der Höhepunkte war zweifelsohne ein Wintereinbruch am El Teide. Im März 2016 erreichte eine mächtige atlantische Schlechtwetterfront Teneriffa. "Auf diesen Moment haben wir sehnsüchtig gewartet", so Regisseur Michael Schlamberger, "doch als es so weit war, traf uns der Wintereinbruch mit voller Wucht. Einen derartigen Schneefall hat es hier seit Menschengedenken nicht mehr gegeben. Bis zu zwei Meter tief steckten wir im Schnee. Unser Geländefahrzeug versank, und wir selbst konnten uns nur noch mit Mühe zu Fuß vorwärts kämpfen, um diesen einmaligen Moment zu filmen."
Die Kanarischen Inseln sind eine faszinierende Welt mit einer erstaunlichen Vielfalt an Klimazonen, Landschaften und Arten. Doch sind sie in erster Linie eine kleine, sehr begrenzte Welt, in der alles voneinander abhängig ist. Wenn auch nur ein Teilchen dieses Puzzles verschwindet, kann das ganze System zusammenbrechen. Blieben beispielsweise die Passatwinde aus oder veränderte sich die Temperatur um wenige Grade, würden die Wälder trockenfallen und für immer verschwinden. Übrig bliebe das, womit es vor Urzeiten begonnen hat: eine kahle Vulkanwüste. So ist die Entwicklung der Natur auf dem abgelegenen Archipel auch eine Metapher für die Veränderungen der Welt im Großen.