Film

Ab 18! - Eben noch Leben

Johanna Klug, 27, arbeitet als Sterbe- und Trauerbegleiterin. Die intensive Befassung mit dem Tod hat ihr Leben positiv beeinflusst.

Produktionsland und -jahr:
Deutschland 2022
Datum:
Verfügbar in
D / CH / A
Verfügbar bis:
bis 07.02.2025

Der Dokumentarfilm begleitet Johanna Klug im Spannungsfeld dieser Arbeit, mit der sie inzwischen auch in verschiedenen Medien präsent ist, und ihres Alltags einer lebensfrohen jungen Erwachsenen in Berlin zwischen Doktorarbeit und Feiern mit Freunden.

Johanna Klug steckt mitten in ihrer Doktorarbeit zum Thema "Patientenautonomie bei todkranken Kindern" und hat gerade ihr zweites Sachbuch veröffentlicht. Mit 20 Jahren hatte sie angefangen, sterbende Menschen zu begleiten: "Seitdem lässt mich die Thematik um Sterben, Tod und Trauer nicht mehr los. Es war das Bedürfnis nach direkten, aufrichtigen und echten Begegnungen mit Menschen", so Johanna. Diese Intensität der Begegnung findet sie nicht nur im Hospiz, wo sie unter anderem eine alte Dame und eine herzkranke junge Frau begleitet, oder bei ihren Ausflügen mit einem Mädchen, das um seine verstorbene Schwester trauert, sondern auch beim ausgelassenen Tanzen und Feiern mit ihren Freunden.

Der Filmemacher Sobo Swobodnik, sein Editor Manuel Stettner und der Musiker Elias Gottstein haben in enger Zusammenarbeit mit Johanna Klug ein assoziatives dokumentarisches Porträt gezeichnet, das einem besonderen Lebenskonzept nachspürt, in dem Leben und Tod selbstverständlich und gleichwertig nebeneinanderstehen und das den Tod als elementaren Teil des Lebens versteht.

Sobo Swobodnik, Jahrgang 1966, hat nach Schauspielstudium, Regiearbeiten im Theater und neben seinen Arbeiten als Journalist und Schriftsteller bereits mehrere Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme realisiert. Für "Der Papst ist kein Jeansboy" wurde er 2012 mit dem "Max Ophüls Preis" für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet.

Im gleichen Jahr erhielt sein Film "Unplugged: Leben Guaia Guaia" auf dem Filmfest München den Publikumspreis. Damit begann seine Zusammenarbeit mit dem Musiker Elias Gottstein, Jahrgang 1989. Ihre gemeinsamen Filme wurden mit dem Dokumentarfilmmusikpreis ausgezeichnet ("6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage – Die Morde des NSU", 2017) beziehungsweise mehrfach nominiert ("Bastard in Mind", 2019, und "Klassenkampf", 2021). Für ihren Film "See you" aus der Reihe "Ab 18!", den sie gemeinsam mit dem Editor Manuel Stettner gestalteten, erhielten sie 2019 den "Robert Geisendörfer Preis".

3sat zeigt "Eben noch Leben" von Sobo Swobodnik im Rahmen der Reihe "Ab 18!", in der Regisseurinnen und Regisseure mit außergewöhnlichen filmischen Handschriften Geschichten vom Erwachsenwerden erzählen.

Interview mit Filmemacher Sobo Swobodnik

Johanna Klug hat mit ihrer Arbeit als Sterbe- und Trauerbegleiterin schon seit einiger Zeit eine gewisse mediale Präsenz - als Buchautorin oder Presenterin in den Sozialen Medien. Wie bist du auf sie aufmerksam geworden, und was hat dich überzeugt, einen Dokumentarfilm mit ihr und über sie zu machen?

Nahaufname von Sobo Swobodnik, der eine Lederjacke trägt, an einer Backsteinwand lehnt und sich eine Zigarette anzündet.
Sobo Swobodnik

Als ich Johanna im Herbst 2020 kennenlernte - zuerst über einen Medienartikel, dann persönlich -, war ihre Popularität noch eher bescheiden; sie hatte weder ein Buch veröffentlicht, noch war sie Presenterin. Gleichwohl eine spannende Persönlichkeit, da sie - das hat mich von Anfang an fasziniert - die unüberbrückbar scheinenden Themen Tod und Leben ganz selbstverständlich und originär zusammenbringt und mit und durch ihr eigenes Leben ausdrückt. Diese anfängliche Faszination wollten wir in unserem Film einfangen und umsetzen. Der Film erzählt das Leben von Johanna und versucht, wie auch die Protagonistin selbst, der Schwere des Themas mit Leichtigkeit zu begegnen, dem Tod narrativ das Leben gegenüber zu stellen, um in der Auseinandersetzung und Ambivalenz beides miteinander zu verbinden: Leben und Tod - so, als wolle der Film und mit ihm die Protagonistin sagen: Indem ich mich mit dem Tod intensiver auseinandersetze, spüre ich das Leben um so mehr. Oder: Der Umgang mit dem schmerzlichen Tod ermöglicht mir ein freudigeres, auch intensiveres Leben.

Inwieweit haben die Begegnungen und der Austausch mit Johanna deine eigene Sicht auf Leben und Sterben beeinflusst?

Der Tod, die Trauer und das Sterben haben für mich persönlich, aber auch als Filmemacher in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Was sicher mit dem zunehmenden Alter, aber auch mit persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen zusammenhängt. Durch den Film "Eben noch Leben" und durch die Auseinandersetzung mit Johanna und wie sie ganz persönlich als Sterbe-/Trauerbegleiterin damit umzugehen pflegt, hat sich mein Blick auf diese Themenbereiche erweitert und ein stückweit auch verändert: Tod und Leben, auch wenn es Binsen sind, scheinen tatsächlich mehr zusammenzugehören, als uns vielleicht lieb sein will. Und wenn man das akzeptiert oder zumindest respektiert, dann lebt es sich mit dem Tod einfach leichter.

Wie viele deiner Filme ist auch "Eben noch Leben" in enger Zusammenarbeit mit Elias Gottstein (Musik) und Manuel Stettner (Montage) entstanden. Wie würdest du die Besonderheit eures Teamworks bezeichnen? Und welche Rolle hat die Protagonistin bei der Gestaltung und Narration des Films gespielt?

Uns drei verbindet ja eine weit über ein Jahrzehnt währende Zusammenarbeit und Freundschaft, die auch fast ein Dutzend Filme als Ergebnis zeitigt, was vieles tatsächlich einfacher macht. Wir glauben, uns künstlerisch schon ganz gut zu kennen, sodass wir in der Zusammenarbeit großes Vertrauen und Wertschätzung für den anderen mit einbringen. Wir müssen uns gegenseitig nicht mehr imponieren und uns etwas beweisen - wir wissen, was wir zusammen gut können. Das macht die Arbeit entspannter, auch kreativer. Bei allen unseren Filmen beziehen wir die Protagonist*innen stark mit in den Entstehungsprozess ein, das heißt, es wird unheimlich viel geredet und diskutiert, entworfen und kreiert, bis überhaupt die erste Klappe fällt. Das ist manchmal anstrengend, aber es zahlt sich auch oft aus.

"Eben noch Leben" arbeitet offen mit Inszenierungen. Worin liegt für dich die Notwendigkeit und der Reiz einer solchen Arbeitsweise beim Dokumentarfilm?

Dokumentarfilm ist nicht ausnahmslose Abbildung von Realität, sondern viel eher verdichtete Wirklichkeit. Was bedeutet, dass fast alle dokumentarischen Formen mit Inszenierungen und Arrangements arbeiten. Das scheint mir auch notwendig zu sein. Man kann eben nicht einfach so mit laufender Kamera in einen Club marschieren und die tanzende Protagonistin abfilmen. Das muss geplant, arrangiert, mitunter auch inszeniert werden. Wobei bei unserem Film alles aus der Realität stammt. Trotz der Arrangements spielen Improvisationen und Spontanität in den jeweiligen Situationen eine große Rolle. Das ist nicht nur in den Begegnungen mit den Menschen im Film so, sondern auch bei dem, was Johanna so tagtäglich treibt. Da ist nichts dazu erfunden, sondern das was ist, das was da ist, wird eben zum Teil arrangiert. Dabei orientiert sich der Film weitestgehend an der Konvention und an experimentellen Spielformen und Arrangements. Der inhaltliche Ansatz wiederum scheint mir darüber hinaus noch interessanter zu sein, weil er die Themenkomplexe Tod, Sterben und Trauer mit der Affirmation für das pralle Leben erzählt. Das mutet für mich schon sehr ungewöhnlich an, so ungewöhnlich wie die Protagonistin selbst.

Die Dreharbeiten fanden Ende 2021/Anfang 2022 noch unter Corona-Bedingungen statt. Vor welche Herausforderungen hat euch das gestellt, und wie seid ihr damit umgegangen?

Kurioserweise hat uns das gar nicht so sehr beeinträchtigt, da wir immer in einem ganz kleinen Team arbeiten, also Ton, Kamera/Regie und Protagonistin, und wir auch in der Vor-Corona-Zeit schon Filmprojekte realisiert haben, die unter erschwerten Bedingungen (wie zum Beispiel ein Dreh im Dschungel von Venezuela) stattgefunden haben. Aber klar, verschärfte Sicherheitsvorkehrungen, ohne die es nicht ging, beeinträchtigen natürlich den Arbeitsablauf, im übrigen auch die Psyche und verlangen in der Regel auch mehr Zeit und Sorgfalt.

Interview: Katya Mader

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