Film
Ab 18! - A Body Like Mine
Puck lebt und arbeitet als Künstlerin, Aktivistin und Sexarbeiterin in Berlin. Dort tritt sie in alternativen Pornoproduktionen und queeren, sex-positiven Perfomances auf.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2023
- Datum:
- Verfügbar in
- D / CH / A
- Verfügbar bis:
- bis 10.03.2025
Inszeniert als dokumentarisches Märchen und entstanden als enge künstlerische Zusammenarbeit zwischen Puck und der Regisseurin Maja Classen, gewährt der Film Einblicke in Pucks Leben und Arbeiten, ihre Inspirationen, Erfahrungen und Ängste.
Dabei ist Puck nicht ihr bürgerlicher Name, sondern eine Figur, die sie geschaffen hat und in die sie während ihrer Performances hineinschlüpft. Während Puck selbstbewusst auftritt, zeigt sich Pucks Schöpferin unsicher und verletzlich. Im Film reflektiert sie die Diskrepanz zwischen sich selbst und der Kunstfigur, die oft missverstanden, verurteilt und fetischisiert wird und der Geschlechterrollen zugewiesen werden, die sie nicht verkörpern will.
Pucks Aktivismus besteht darin, sich als Woman of Colour sichtbar zu machen und sich als Teil von Bildern zu inszenieren, aus denen Körper wie der ihre traditionell ausgeschlossen wurden. So wagt sie sich auch an kontroverse Positionen, wie zum Beispiel das Recht, als passiv-unterwürfige Figur in einem BDSM-Kontext ("Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism") aufzutreten, ohne sich aufgrund ihrer Hautfarbe dafür rechtfertigen zu müssen. Ein ebenso offener wie sensibler Umgang mit Fragen zu den Themen "Race" und "Gender" sind ihr wichtig.
"A Body Like Mine" wurde 2023 als "Best German Documentary Film" beim "Doc.Berlin Documentary Film Festival" ausgezeichnet.
Die in Berlin lebende Filmemacherin Maja Classen ist Absolventin der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Ihr erster Dokumentarfilm war ein Porträt der Berliner Clubszene der frühen 2000er-Jahre, der erfolgreich auf zahlreichen Festivals lief und bis heute als wichtiges Porträt der damaligen elektronischen Musikszene gilt. Neben ihrer Arbeit als Regisseurin unterrichtet Maja Classen seit 2008 Dokumentarfilm an verschiedenen Film- und Kunsthochschulen. Filme (Auswahl): "Feiern" (2006), "Osdorf" (2007), "24h Berlin" (2009), "Plötzlich ist die Welt ganz klein" (2016), "Truth or Dare" (2023).
3sat zeigt "A Body Like Mine" von Maja Classen im Rahmen der Reihe "Ab 18!", in der Regisseur*innen mit außergewöhnlichen filmischen Handschriften Geschichten vom Erwachsenwerden erzählen.
Interview mit Regisseurin Maja Classen
Wie entstand die Idee, einen Dokumentarfilm mit und über Puck für die Reihe "Ab 18!" zu machen?
Ich lernte Puck durch mein Projekt "Truth or Dare" kennen - eine dokumentarische Erforschung der sexpositiven Räume und Menschen in Berlin. Eine andere Protagonistin brachte Puck als Spielpartner*in mit. Ich fühlte mich sofort angezogen von Pucks geheimnisvoller Präsenz und begann ein Gespräch mit ihr über ein Porträt für die Reihe "Ab 18!". Puck war vorsichtig interessiert. Es war ihr wichtig, ihre private Identität zu schützen. Für mich ergab sich aus diesem Bedürfnis die Idee, der Protagonistin ein Stück mehr Kontrolle als üblich zu überlassen, indem ich sie einlud, Ko-Autorin des Films zu werden.
Wie kam es zu der Idee, den Film als ein dokumentarisches Märchen anzulegen?
Die Grundidee, die märchenhafte Kunstfigur Puck in den Mittelpunkt zu stellen, eröffnete zunächst einen gewissen künstlerischen Freiraum. Ich habe ein großes Interesse an poetischen und experimentellen Formen. Obwohl ich Dokumentarfilmerin mit Leib und Seele bin, von meiner Neugier am Erforschen des echten Lebens getrieben, liebe ich es, den Realismus zu brechen und ästhetische Übersetzungen für die Innenwelt der Protagonist*innen zu finden. Wenn diese sich durch Kunst und Performance ausdrücken, bietet es sich an, das zu nutzen. Die von Shakespeares "Sommernachtstraum" inspirierte Figur Puck bringt eine eigene märchenhafte Ästhetik mit, sodass schon zu Beginn klar war, dass wir beide Lust hatten, damit zu spielen.
Die Protagonistin des Films und ihr Alter Ego Puck leben in einer Art Symbiose. Wie hat sich dieses Verhältnis bei den Dreharbeiten geäußert?
Das Wechselspiel zwischen Puck und der privaten Person dahinter war sehr spannend und auch Puck selbst war überrascht davon. Anfangs hatte ich noch versucht, die beiden Figuren viel stärker voneinander abzusetzen, auch ästhetisch. Es gab unterschiedliche visuelle Konzepte für jede; private, lockere Kleidung versus sexy Outfits und Make-up, statische Kamera versus bewegte Kamera, kurze versus lange Brennweiten und so weiter. Während des Drehs haben wir gemerkt, dass die Übergänge aber fließend sind, dass die Künstler*in selbst nicht immer trennen kann, wer gerade spricht oder agiert. Wir haben das dann einfach zugelassen, was meiner Meinung nach die Magie der Geschichte ausmacht und auch ihre Fallhöhe. Es sind gerade diese Brüche zwischen Performance und Privatem, zwischen Stärke und Verletzlichkeit, zwischen Kontrolle und Loslassen, die ich besonders berührend finde.
Was hat die besondere Form der Ko-Autorenschaft für den Film bedeutet?
Diese Art von Mitbestimmung gab uns Sicherheit. Ich selbst beschäftige mich schon lange mit der Verantwortung, die wir als Dokumentarfilmer*innen haben, wenn wir in das Leben von realen Menschen eingreifen, indem wir unseren Blick auf sie veröffentlichen. Ich finde es sehr wichtig, sich dieser Machtposition bewusst zu sein und suche nach Wegen, die Hierarchien herauszufordern. Das heißt aber nicht, dass es einfach ist. Es bedeutet im Prozess viel mehr Kommunikation, Gespräche und Diskussionen und viel mehr Zeit, um sicher zu gehen, dass die Person, die sich hier entblößt, sich damit safe fühlen kann. Für Puck ging es hierbei nicht nur um sich selbst, sondern sie fühlt sich auch als Stellvertreterin ihrer Community, mit deren Werten sie ihre Aussagen abglich.
Die Interviewszenen mit Puck im Stile eines Stilllebens sind visuell besonders beeindruckend. Welche Rolle spielt dieser inszenierte Raum, welchen Mehrwert schafft er im Film neben der dokumentarischen Beobachtung?
Die Idee für das Stillleben basiert auf Pucks Collage-Kunst. Sie nimmt Stillleben alter Meister und baut ihren eigenen Körper dort ein. Für sie ist dies ein Akt der Rebellion. Als schwarze Künstlerin reclaimed sie damit einen künstlerischen Raum und die Definition von Schönheit, die traditionell weiß konnotiert war und "Körper, wie ihren" ausschloss. Ich liebe Pucks Collagen und finde diese Metapher sehr wichtig für ihr Porträt. Da wir zwischen Performance und Beobachtung changieren, bot es sich an, über die Beobachtung von Pucks künstlerischer Arbeit hinauszugehen und ihre Vision überlebensgroß zu machen. Die wunderbare Set-Designerin Miren Oller hat Pucks Collage großartig zum Leben erweckt. Im Ergebnis ist Puck auf dieser Bühne in einer besonderen Zwitter-Situation, in der sie Puck repräsentiert und parallel dazu über sie reflektiert, was sie zugleich majestätisch und vulnerabel erscheinen lässt. Es ist also viel mehr als ein Interview oder eine Beobachtung. Pucks ganzer Drahtseilakt drückt sich in dieser Szene aus.
Interview: Gwendal Rabillard
Stab
- Regie - Maja Classen
- Autor - Maja Classen, Puck Ellington
- Kamera - Alina Albrecht
- Schnitt - Thomas Krause, Maya Steinberg
- Musik - Vanessa Chartrand-Rodrigue