Film
Master of Disaster
Der Ausnahmezustand kann jederzeit eintreten. So kalkulieren die Experten vom Katastrophenschutz. Sie gelten als die "Master of Disaster", doch ihre Albträume dienen letztendlich uns allen.
- Produktionsland und -jahr:
-
Deutschland 2018
- Datum:
- Sendetermin
- 06.05.2025
- 03:00 - 04:15 Uhr
Tsunamis, Terroranschläge und Pandemien gehören zum Alltagsgeschäft hochkarätiger Spezialisten, die für die Schweizer Bahn ebenso konzentriert arbeiten wie für weltbekannte Rückversicherungsgesellschaften. Das Undenkbare machen sie in Versuchsanordnungen möglich.
Moderne Gesellschaften sind in ihrer totalen Vernetzung verletzbarer denn je. Der internationale Terrorismus ist allgegenwärtig, und die unbegrenzten Reiserouten in der globalisierten Welt öffnen der Verbreitung von Krankheiten Tür und Tor. Der Dokumentarfilm "Master of Disaster" von Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier zeigt, was alles unternommen wird, um diese Risiken beherrschbar zu machen, und begleitet Menschen, deren Arbeit es ist, Katastrophen zu simulieren.
Wie in einem Paralleluniversum beheimatet, proben von uns unbemerkt das Technisches Hilfswerk (THW) und andere Organisationen kontinuierlich den Ernstfall in Feldübungen. Auch wenn der schlimmste Fall meist nicht eintritt, zeigen diese Horrorszenarien doch deutlich, wie fragil unsere Systeme der Sicherheit sein können.
Wer die beiden Strategen Volker Schmidtchen und Hans-Walter Borries auf ihren Streifzügen durch sogenannte sicherheitsrelevante Landschaften begleitet, sieht ein paar Profi-Paranoiker am Werk: Sie holen souverän fiktive Drohnenangriffe auf Elektrizitätswerke aus der Luft, oder schütteln nonchalant Evakuierungsmöglichkeiten für ganze Vorstädte aus dem Handgelenk. So nah erscheint plötzlich die berühmte Verkettung unglücklicher Umstände, die vor unserer Haustür unweigerlich im Desaster enden könnte.
Das Kölner Autorengespann Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier wurde 2016 für die ZDF-Arte-Produktion "Vom Ordnen der Dinge" mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Auch in jenem formal strengen Film galt ihre Vorliebe hochkomplexen Zusammenhängen, die sie aus der Perspektive ihrer Protagonisten verfolgten. Menschen, die ihr Leben - ob beruflich oder privat - von diesen Mustern bestimmen lassen, um die Welt beherrschbarer zu machen.
Interview mit Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Film über Katastrophenschützer, über die "Meister des Desasters" zu machen?
Uns interessierte, wie sich die Leute vom Fach das Undenkbare vorstellen. Bei unseren Recherchen haben wir dann gesehen, mit was für einem Aufwand die Katastrophe geplant und in Szene gesetzt wird - bis in ihr kleinstes Detail und in ihre allerletzte Verästelung. Man versucht mit aller Gewalt etwas in den Griff zu kriegen, was eigentlich nicht in den Griff zu kriegen ist. Diese Bewegung - und die Absurdität die dem oft innewohnt - hat uns auch schon in unseren anderen Filmen fasziniert.
Wie aktuell ist der Bezug zur aktuellen Pandemie?
Bei unseren Dreharbeiten im Robert-Koch-Institut war die Pandemie auch immer schon Thema - und wie haarscharf wir daran schon mehrfach vorbeigeschlittert sind. Eine Pandemie galt immer schon als eines der großen Risiken, aber eben nicht als das einzige. Die Kür in den Übungen war häufig ein Zusammenspiel von mehreren Risiken gleichzeitig, etwa eine Grippewelle, den Ausfall von Kraftwerksmitarbeitern und den Folgen des daraus resultierenden Blackouts.
Sind die wirklichen Schreckensszenarien nicht streng vertraulich, war es nicht schwer, an Drehgenehmigungen zu kommen?
Das war tatsächlich oft nicht einfach, gerade wenn es um Terrorlagen ging. Natürlich will man nicht, dass die Szenarien als Blaupause für Anschläge dienen. Gleichwohl konnten wir sowohl bei der Entwicklung der Szenarien mit der Kamera dabei sein, als auch bei den eigentlichen Übungen. Wenn die dann einmal im Gange waren, war die Anspannung bei den Beteiligten so groß, dass wir als Team ohnehin nicht weiter ins Gewicht fielen. Manchmal sind wir auch als Teil der Übung, als "Reporter"-Team vor Ort, von den Übenden wahrgenommen worden.
Ihr Film konnte wegen Corona keine reguläre Kinopremiere feiern, stattdessen wählten Sie eine Online-Premiere. Waren Sie mit der Resonanz zufrieden?
Die Kinos waren Ende März ja geschlossen. Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass das Publikum den Film auf der Leinwand sieht, dafür ist er ja auch gemacht. Eine Online-Premiere war natürlich ein schlapper Ersatz. Das Spannende auf den Festivals, auf denen der Film vorher lief, war für uns die immer wiederkehrende Frage aus dem Publikum an die Katastrophenschützer: "Können Sie uns retten?"
Würden Sie den Film Stand jetzt im Jahr von Corona anders drehen?
Der Resonanzraum hat sich ja komplett verändert. Bei bestimmten Maßnahmen, etwa einer Polizeisperre, denkt man jetzt gleich an Corona. Aber die Grundfrage, nämlich dass unser nicht nachhaltiger Lebensstil zwangsläufig zu katastrophischen Verhältnissen führt, bleibt ja.
Interview: Nicole Baum, 3sat