Gesellschaft
37°: Eine Handvoll Hoffnung
Menschliche Tragödien und Wunder liegen dicht beieinander, wenn Eltern ein Kind erwarten. Wenn der Traum vom gesunden, wunderbar entwickelten Baby jäh endet, weil es zu früh zur Welt kommt.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2020
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 10.03.2025
- Ton
- UT
- AD
Im Jahr 2018 kamen insgesamt 64 417 Kinder vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche als Frühgeborene zur Welt. Damit sind Frühgeborene die größte Kinderpatientengruppe in Deutschland. "37°" begleitet drei Familien mit ihren Frühgeborenen.
Eine Schwangerschaft dauert circa 40 Wochen. Wenn ein Baby vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren wird, dann ist es ein "Frühchen". Die Situation wird für die Eltern und das Kind dann oft zu einer großen Belastung, wenn die Wehen einsetzen, obwohl ein Kind im Mutterleib längst nicht voll entwickelt ist. Wenn das Leben von Mutter und Kind auf dem Spiel steht, wenn die Mischung aus Hoffnung und Bangen Paare zermürbt. Wenn Mütter und Väter nur noch am Brutkasten sitzen, auf Piepen der Geräte hören und auf Schläuche starren, rund um die Uhr in den Hochrisikobereichen der Kliniken sitzen, beten, hoffen, trauern.
Auch wenn die Überlebenschancen gut sind, wenn Babys "nur" drei, vier oder fünf Wochen zu früh auf die Welt kommen, ändert sich das Familienleben schlagartig. Beruf, Geschwisterkinder, alles muss unter einen Hut, kann nur unter enormen Belastungen miteinander vereinbart werden. Ein Spagat zwischen ehemaligem Alltag und dem Rest der Familie. Wenn das Frühchen "geheilt" entlassen wird, geht es in vielen Familien erst los mit den Therapien. "Einmal Frühchen, immer Frühchen" sagen die Ärzte. Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie, ein Leben lang nachholen, weil ein paar Wochen fehlen.
Ariane und Dieter versuchen jahrelang, auf natürlichem Wege ein Kind zu bekommen. Schwanger wird Ariane erst nach künstlicher Befruchtung. Die 31-Jährige erwartet Zwillinge. Schon nach der Hälfte der Schwangerschaft geht sie mit Blutungen zum Frauenarzt. Der stellt fest, dass sich der Muttermund bereits geöffnet hat. Sofort wird sie in die Klinik eingewiesen. Wenige Wochen später, am zweiten Weihnachtsfeiertag, kommen die Kinder nach genau 23 Schwangerschaftswochen zur Welt: erst Ella, dann ihr Bruder Alexander, 17 Wochen zu früh. Beide haben Hirnblutungen erlitten, bei Alexander wird außerdem ein schwerer Herzfehler diagnostiziert. "Er hat so lange gelebt, bis er sicher sein konnte, dass seine Schwester es schafft", sagt Ariane heute. Der kleine Alexander starb mit neun Monaten in der Klinik.
Im kleinen Ort Lengers bei Bad Hersfeld leben vier Generationen der Familie. "Alle haben mitgekämpft, alle haben gemeinsam Ella durchgebracht. Nur Krankengymnastik brauchte sie zur Unterstützung, sonst keine weiteren Therapien. Unsere Familie war die Lebensgrundlage", sagt die Mutter heute. Überwunden ist diese harte Zeit nicht. Schuldgefühle, zum unglücklichen Schwangerschaftsverlauf beigetragen zu haben, hat sie noch heute, der Tod von Alexander schmerzt tief. "Jedoch ist Ella solch ein Geschenk, das hält uns lebendig und gibt uns viel Glück", sagt Ariane. Ella ist eines der jüngsten Frühchen Deutschlands.
In Braunschweig lebt Jette. Sie wurde in der 26. Schwangerschaftswoche geboren. Drei Operationen an Darm und Bauch folgten. Fünf Monate Krankenhaus, ständiges Beatmen, Ernährung über die Magensonde – all das hat dazu geführt, dass die Siebenjährige nicht deutlich sprechen und nur eingeschränkt gehen kann.
Außerdem in der Reportage: Die Zwillingsmädchen Ava und Alexandra werden in der 26. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt geholt, beide schweben in Lebensgefahr. "37°" beobachtet über Monate die Entwicklung der beiden. Schaffen sie es gesund nach Hause?