Gesellschaft

37°: Ungleiche Zwillinge

Sie sind Zwillinge und doch grundverschieden: Ein Kind hat das Downsyndrom, das andere nicht. Mehr als hundert dieser besonderen Zwillingspaare gibt es in Deutschland.

Datum:
Verfügbar
weltweit
Verfügbar bis:
bis 11.05.2026
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Je älter die Zwillinge werden, desto mehr driftet ihr Leben auseinander. Eine Herausforderung auch für die Eltern, die beiden Kindern gerecht werden möchten. Was verbindet die ungleichen Zwillinge, was trennt sie? "37°" hat zwei Familien ein Jahr lang begleitet.

In der Humangenetik wird das Phänomen dieser besonderen Geschwister "Diskordante Downsyndrom-Zwillinge" genannt. Genetisch "diskordant" bedeutet "ungleich", das heißt, die Zwillinge können ein unterschiedliches Geschlecht haben, unterschiedliche Blutgruppen - oder auch unterschiedlich viele Chromosomen.

So ist es bei Elisabeth und Victoria (18) aus Saalfeld in Thüringen. Elisabeth hat Trisomie 21 und damit ein Chromosom mehr als Victoria. Die Schwestern stehen zu Beginn der Dreharbeiten kurz vor ihrem Schulabschluss, danach wollen sie durchstarten. Erst mal jede für sich in einer anderen Stadt, so lautet der Plan. Die bevorstehende Trennung ist ein großer Schritt, denn bisher haben sie einen Großteil ihrer Freizeit zusammen verbracht. Während Victoria mit Einser-Abi alle Türen offenstehen, sind Elisabeths Möglichkeiten begrenzt: Der vorgezeichnete Weg wäre ein Platz in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Das ist für Elisabeth jedoch keine Option, sie möchte einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt. Doch dieser Weg ist voller Hürden, ihre Schwester Vicky findet das ungerecht: "Ich kenne Eli, ich weiß, was in ihr steckt. Und doch wird sie ständig unterschätzt, muss sich alles erkämpfen."

Den Kampf gegen Behörden und Ämter führen auch die Eltern Katharina und Frank schon seit vielen Jahren. Sie wollen beide Töchter auf ein selbstständiges Leben vorbereiten und haben Elisabeth den inklusiven Schulweg ermöglicht. "Obwohl ihre Lebenswege parallel verlaufen, ist es doch so: Victoria fährt auf der Autobahn, während Elisabeth auf dem Feldweg vorwärtskommen muss", fasst Vater Frank zusammen. Elisabeth wiederum wünscht sich: "Ich bin ein Mensch, die Leute sollen den Menschen sehen, nicht nur das Downsyndrom."

Auch Benjamin und Magdalena Pfeil (14) aus Eppingen in Baden-Württemberg sind ungleiche Zwillinge. Magdalena übernimmt den Part des Innenministers. Sie kümmert sich um alles, was ihrem Bruder mit Downsyndrom schwerfällt: Termine, Organisatorisches, den Überblick behalten. Benjamin schlüpft dafür in die Rolle des Außenministers, er ist kontaktfreudig, übernimmt in unbekannten Situationen das Ruder. "Er geht auf fremde Leute zu. Ich bin schüchtern, und durch ihn lerne ich mehr Leute kennen", so Magdalena.

Schon im Kleinkindalter hat Magdalena sich für Benjamin verantwortlich gefühlt: Sie ließ ihm überall den Vortritt und brachte ihm das Spielzeug, wenn er schrie. Ihre Eltern ermunterten sie deshalb, auch auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. "Wenn du ein Kind hast, das immer nebenher mitläuft, das ist natürlich einfach für einen als Mama. Doch es ist ein Kind. Es braucht auch genauso Fürsorge und Zeit. Zeit, die man vielleicht dem behinderten Kind mehr schenkt", beurteilt Nadine, die Mutter der Zwillinge, die Situation rückblickend.

Bereits nach dem Kindergarten haben die Zwillinge unterschiedliche Wege eingeschlagen: Magdalena wurde ein Jahr vor ihrem Bruder eingeschult, der als einziges Kind mit Behinderung die 7. Klasse einer inklusiven Gesamtschule besucht. Er wird im Unterricht von einer Sonderpädagogin begleitet, doch die Unterstützung wird nur weiterhin bewilligt, wenn Benjamin Leistung erbringt. Die Eltern müssen beständig um einen inklusiven Schulweg für Benjamin kämpfen.

In der Pubertät hat sich das Verhältnis der Zwillinge geändert, ihre Gefühle zueinander werden ambivalenter.

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