Gesellschaft
Corona trifft Banken: Schaffen die das?
Den Banken kommt als Rückgrat der Wirtschaft im Corona-Schock eine Schlüsselrolle zu. Die Frage ist: Sind sie Teil der Lösung oder werden sie selbst zum Problem? Antwort: Kommt drauf an.
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Von Carsten Meyer
In der Finanzkrise vor zehn Jahren waren es die Banken, die mit Abermilliarden gerettet wurden. Das Zauberwort lautete "systemrelevant". Jetzt geht es für die Kreditwirtschaft darum, diesem Anspruch gerecht zu werden und die Realwirtschaft zu retten.
Auf den ersten Blick werfen sich die Banken mit Verve in die Bresche, die die Corona-Krise in die Konjunktur schlägt. Die Rettungsmilliarden der Bundesregierung reichen sie an klamme Unternehmen weiter, prüfen deren Bonität. Als Hausbank mit engem Draht zum Kunden fangen sie hier oft nicht bei null an. Das beschleunigt den Vorgang - und Zeit ist hier die kritische Größe.
Zehntausende Hilfsanträge
Die Kreditvergabe laufe sehr gut an, sagt Thomas Schlüter vom Bankenverband. Schon in den ersten Tagen seien zehntausende Anträge eingegangen. Trotzdem ist die logistische Aufgabe, eine Flut von Anträgen zu bearbeiten - insbesondere, wenn viele Angestellte im Homeoffice arbeiten - natürlich enorm. Schlüter äußert sich zuversichtlich, betont aber auch die Herausforderung.
Tatsächlich leiten Geschäftsbanken im aktuellen Hilfsprogramm primär Kredite der staatlichen Förderbank KfW weiter. Das Kreditrisiko liegt also - ganz überwiegend - nicht bei den Banken, sondern beim Steuerzahler. Für Investitionen und laufende Betriebskosten beispielsweise haftet die KfW mit bis zu 90 Prozent der Kreditsumme.
Nicht ohne Eigeninteresse
Ihren gesellschaftlichen Nutzen, also ihre Systemrelevanz im besten Sinne, stellt die Kreditwirtschaft in der aktuellen Lage durchaus öffentlichkeitswirksam zur Schau, quasi als Wiedergutmachung für 2008. Nicht ohne Eigeninteresse.
Eine Flucht nach vorn? "In gewisser Weise ja", sagt Matthias Fifka, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg. "Banken müssen ein Interesse haben, dass so viele Unternehmen wie möglich am Leben bleiben."
Bleiben die Banken handlungsfähig?
Ganz entscheidend wird sein, ob Banken "business as usual"-fähig bleiben, inwiefern sie also ihr reguläres Kreditgeschäft aufrechterhalten können: eigene Kredite vergeben, die nichts mit der Corona-Krise zu tun haben. Hier sind sie mit eigenem Geld im Risiko.
Und dieses Risiko ist in einer Rezession hoch: Firmen verlieren ihre Bonität, es gibt Insolvenzen, Banken müsse Rückstellungen bilden, können weniger Geld verleihen, geraten, wenn es richtig schlecht läuft, selbst in Schieflage. "Damit eine solche Situation nicht entsteht, ist es wichtig, das Geld schnell an die Kunden zu bringen", betont Schlüter.
Bankenregulierung, ein Evergreen
Um Unternehmen besser mit Liquidität versorgen zu können, sollten Spielräume in der Regulierung überprüft und flexibel ausgelegt werden, fordert daher Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Was er damit meint: Lasst uns nochmal über dieses Regulierungsthema reden.
Infolge der Finanzkrise 2008 sind Banken bekanntlich - gegen heftigen Widerstand - mit einem engmaschigen Regelwerk überzogen worden. Bei faulen Krediten müssen sie beispielsweise schnell und umfassend Rückstellungen bilden. Das stärkt die Bilanz, bremst aber die für Unternehmen so wichtige Kreditvergabe. Ossigs Argument ist nicht von der Hand zu weisen - und doch drängt sich der Verdacht auf, dass die Branche hier eine Chance beim Schopfe ergreifen möchte.
Belegen kann Matthias Fifka den Verdacht nicht. "Ich kann mir aber gut vorstellen, dass die Finanzbranche hier die Gelegenheit nutzen möchte, Regulatorien zu lockern, um schneller und großzügiger zu reagieren."
Übersteht das Finanzsystem die Krise?
Bleibt am Ende die alles entscheidende Frage nach der Stabilität des Finanzsystems. Die Ratingagentur Moody's hat soeben ihren Ausblick für Banken in vielen europäischen Ländern herabgestuft auf "negativ". Man erwartet, dass sich das Geschäftsumfeld "signifikant verschlechtert".
Kann die Corona-Krise also die Banken selbst durch massenhafte Firmenpleiten in Schieflage bringen? Dann wären sie nicht mehr Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Vorläufig gibt es Anlass zu Zuversicht, aus zwei Gründen. Erstens: Die Krise kommt - anders als 2008 - nicht aus dem Finanzsystem selbst. Zweitens: Die Kreditwirtschaft kann - beispielsweise aufgrund viel höherer Eigenkapitalvorschriften - wesentlich größere Ausfälle verkraften als damals.
"Am Ende", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Fifka, "hängt aber alles davon ab, wie lange die Krise anhält."