Gesellschaft
Klimaneutralität: Der Wind dreht sich
Lange haben Banken viel von Nachhaltigkeit geredet – man werde sich aus der Finanzierung fossiler Projekte zurückziehen - und wenig dafür getan. Das scheint sich nun zu ändern.
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Von Carsten Meyer
An mahnenden Worten herrscht kein Mangel. Zuletzt kamen sie von UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Zur Erreichung der Klimaneutralität müssten Subventionen von fossilen Brennstoffen auf Erneuerbare umgeleitet werden, sagte er vor wenigen Tagen in einer Videobotschaft auf dem International Finance Forum in Peking. "Außerdem bedeutet es, die Finanzierung von Kohle im In- und Ausland zu stoppen, und aus ihrer Nutzung auszusteigen."
Traditionell verhallen derartige Appelle folgenlos. Tatsächlich aber verändert sich gerade etwas. Diese Veränderung kommt aus zwei Richtungen. Net-zero, wie das Ziel der CO2-Neutralität auch genannt wird, ist also noch nicht verloren.
Der Einfluss der Banken
Da sind zum einen die Banken, vor allem die Investmentbanken, welche Energieprojekte weltweit finanzieren. Seit dem Klimaabkommen von Paris im Herbst 2015 bekennen sich zwar immer mehr Finanzinstitute zum Klimaschutz und beteuern, sich aus der Finanzierung fossiler Brennstoffe zurückzuziehen.
Allein: Sie haben es nie getan.
Erst 2021 deutet sich eine Wende an. Zuvor, in den fünf Jahren zwischen dem Pariser Abkommen und Ende 2020, pumpten Banken über Anleihen und Kredite 3,6 Billionen Dollar in Kohleminen und -kraftwerke, die Förderung und Verarbeitung von Öl und Gas. Fast dreimal mehr als in saubere Energie. So ermittelte es der Finanznachrichtendienst Bloomberg, der sich durch die Kredite und Anleihen von 140 Finanzinstituten weltweit gegraben hat.
Ist das die Wende?
Für die Banken hat sich das Geschäft gelohnt: 16,6 Mrd. Dollar strichen sie für ihre Dienste ein. Bei Nachhaltigkeits-Investments waren es lediglich 7,4 Mrd.
Für 2021 jedoch sagen die Zahlen etwas anderes. Erstmals finanzieren Banken grüne Projekte großzügiger (203 Mrd. Dollar bis Mitte Mai) als fossile (189 Mrd.). In dem Maße, wie immer mehr Staaten sich zu net-zero bekennen - zuletzt die drei großen asiatischen Volkswirtschaften China, Japan und Südkorea - spiegelt sich dies auch im Verhalten der Finanzwirtschaft wider. In den kommenden zehn Jahren will man nach eigenen Angaben mindestens 4 Billionen Dollar in nachhaltige und klimafreundliche Projekte leiten.
Die Macht der Anleger
Der zweite Hoffnungsschimmer für den Klimaschutz sind die Anleger. Diese Erfahrung musste zuletzt der amerikanische Ölkonzern ExxonMobil machen. Immer mehr Investoren verlangen von den Unternehmen ein Geschäftsmodell, das dem Szenario einer klimaneutralen Wirtschaft standhält.
Während europäische Branchengrößen - Shell, Total, Equinor und allen voran BP - ihre Geschäftsmodelle anpassen, ist davon bei ihren amerikanischen Pendants noch wenig zu spüren. Am wenigsten bei Exxon. Die Strategie des einstmals wertvollsten Unternehmens der Welt lautet im Prinzip: Wir machen weiter wie immer.
Debakel für ExxonMobil
Engine No. 1, ein junger, kleiner Hedgefonds aus New York, brach zur Exxon-Hauptversammlung vor wenigen Tagen einen sogenannten Proxy-Fight vom Zaun. Dabei geht es um die Frage, wer im Aufsichtsrat einer Firma sitzt und so die Leitlinien des Unternehmens bestimmt. Engine No. 1 schlug vier Kandidaten vor, die über Expertise beim Thema Nachhaltigkeit verfügen. Exxon war dagegen - und verlor die Abstimmung.
Zwar ist Engine No. 1 ein Zwerg, doch er hat große Brüder - diverse Pensionsfonds, die mächtigen Indexfonds-Betreiber BlackRock, State Street und Vanguard, selbst die Church of England.
Wenn es möglich ist, ExxonMobil ins Wanken zu bringen, den Last Man Standing von "Big Oil", dann ändert sich wirklich was.