Gesellschaft
"Rapide Zunahme der Rohstoffnachfrage"
Das hatte niemand auf dem Zettel: Die Welt erlebt einen Rohstoffboom, es folgen Lieferverzögerungen und Inflation. Gefährdet das am Ende den Aufschwung? Ein Interview mit Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.
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- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 08.06.2026
makro: Kupfer, Eisenerz, Stahl, Weizen, Mais, Soja, Holz - alles im Schnitt so teuer wie seit zehn Jahren nicht mehr. Einige Marktbeobachter sprechen bereits von einem neuen Superzyklus bei Rohstoffen. Gehen der Welt die Basics aus?
Fritzi Köhler-Geib: Nein, der letzte Superzyklus war stark vom wirtschaftlichen Aufstieg Chinas getrieben. Momentan führt die globale Konjunkturerholung zu einer rapiden Zunahme der Rohstoffnachfrage. Die Produktionsausweitung benötigt Zeit. Der Bloomberg Commodity Index hat seit Beginn der Corona-Krise 50% zugelegt. Er spiegelt die Preisentwicklung von 22 Rohstoffen wider. Damit liegen wir noch immer weit unterhalb des Preisniveaus des letzten Superzyklus.
Zur Person
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Chefvolkswirtin der KfW
makro: Kupfer kostet soviel wie nie zuvor. Dabei gilt gerade Kupfer als Schlüsselrohstoff für Elektromobilität und Energiewende. Kann das ein echtes Problem werden?
Köhler-Geib: Kupfer notiert mittlerweile bei mehr als 10.000 Dollar pro Tonne und ist damit etwa doppelt so teuer wie im März 2020. Das Metall wird im Baugewerbe verwendet, spielt aber auch bei grünen Technologien eine zentrale Rolle. Es kommt beispielsweise bei der Herstellung von Batterien, Elektroautos, Solarmodulen und Windkraftanlagen zum Einsatz. Neben der Konjunkturerholung treibt hier also auch ein langfristiger Strukturwandel die Nachfrage. Ein erhöhter Preis scheint daher auch auf längere Sicht möglich.
makro: Halbleiter, Plastik, Pappe, Getränkedosen - die Knappheit bei Rohstoffen frisst sich in die Produktionsketten. Unternehmen hamstern Vorprodukte wie Coronabesorgte Klopapier. Wie problematisch sind die durch Lieferengpässe entstehenden Verwerfungen?
Köhler-Geib: Die Lieferengpässe führen dazu, dass die Produzenten ihre gut gefüllten Auftragsbücher kaum abarbeiten können: Die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe liegen aktuell fast 7% über dem Niveau von Januar 2020, die Industrieproduktion aber noch 5% darunter. Die positiven Geschäftserwartungen deuten jedoch darauf hin, dass die Probleme temporärer Natur sind. Je schneller sich die Engpässe auflösen, desto besser ist es für die Konjunktur.
makro: Teure Rohstoffe, unsichere Lieferketten, steigende Frachtraten - das riecht nach Inflation. Die Frage ist: Erleben wir lediglich ein kurzfristiges Aufflackern oder ist die Inflation zurück?
Köhler-Geib: Für den derzeitigen Inflationsschub in Deutschland sind vor allem Basiseffekte verantwortlich, die 2022 wegfallen: Die Energiepreise sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, damals waren sie besonders niedrig. Hinzu kommt die temporäre Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020. Auch das führt zu einem Anziehen der Inflation in den nächsten sechs Monaten.
Das Interview führte Carsten Meyer.