Gesellschaft
Retouren-Retter - Zweites Leben für Online-Ware
Der Onlinehandel boomt und es gibt immer mehr Retouren. Hinter den Kulissen arbeiten Händler daran, vor allem benutzte und defekte Artikel wieder fit zu machen.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland
- Datum:
- Verfügbar in
- D / CH / A
- Verfügbar bis:
- bis 05.04.2027
Hartnäckig hält sich das Gerücht, ein Großteil der Retouren aus dem Onlinehandel lande auf dem Müll. Tatsächlich ist eine ganze Branche entstanden, die sich darauf spezialisiert hat, die Rückläufer noch zu Geld zu machen. Der Markt ist groß: Allein in Deutschland wurden 2020 schätzungsweise 315 Millionen Pakete zurückgeschickt.
Fashion logistics in Ibbenbüren bei Münster beispielsweise ist spezialisiert auf die Aufbereitung von Textilien und Schuhen. Linda Stalljohann, die die Firma heute gemeinsam mit ihrem Vater führt, sagt, das Retourengeschäft sei duch E-Commerce und jüngst die Coronapandemie extrem gewachsen und zu einem wichtigen neuen Geschäftsfeld geworden. Einst hat ihr Betrieb für klassische Modegeschäfte Ware eingelagert und aufbereitet. Die Maschinen und Anlagen stehen also alle bereit.
A, B, C, D
Zunächst werden die Rückläufer klassifiziert: A-Ware ist neuwertig und geht direkt zurück in den Handel, B-Ware hat kleine Fehler. Sie wird möglichst wieder zu A-Ware aufbereitet oder geht an Billiganbieter zum Verkauf, C-Ware ist nicht mehr verkäuflich und wird recycelt oder zum Ausschlachten weiterverkauft. D-Ware ist völlig unbrauchbar und landet auf dem Müll.
Artikel mit leichten Verschmutzungen werden chemisch gereinigt, verknitterte Kleidung kommt in die Heißluftanlage und wird neu verpackt. Schwieriger ist es bei leichtem Schimmelbefall. Hier hilft möglicherweise die Ozonkammer, die Keime abtötet und muffigen Geruch neutralisiert.
Kleidung ist Spitzenreiter bei Retouren
"95 Prozent der Artikel können wir reparieren, ein ganz geringer Teil wird wirklich nur vernichtet", erzählt uns die Junior-Chefin. "Das meiste wird noch in Outletstores als B-Ware reduziert verkauft. Ansonsten wird das Material recycelt. Nur die D-Artikel werden dann wirklich vernichtet."
Dr. Henning Wilts ist Experte für Kreislaufwirtschaft am Wuppertal-Institut. "Wir haben festgestellt, dass etwa zwischen sechs und acht Prozent der Produkte insgesamt als Retoure wieder zurückgehen", erzählt er. In einzelnen Produktgruppen sei die Quote deutlich höher. Zum Beispiel bei Textilien. "Da gibt es Zahlen, wonach jedes dritte bestellte Produkt wieder zurückgeschickt wird."
Elektronik: Reparieren oder ausschlachten
Retten, was zu retten ist. Das versuchen sie auch bei Hermes. Im ostwestfälischen Löhne werden für den Otto-Versand täglich 4000 bis 5000 zurückgeschickte Großgeräte und Möbel angenommen. Ob Transportschäden wie Kratzer oder Dellen oder technische Defekte - Kühlschränke, Waschmaschinen und Co werden gründlich durchgecheckt. Eine Halle ist allein voller Fernseher, auch hier werden alle Funktionen überprüft. Kleine Defekte werden repariert, gegebenenfalls Ersatzteile beim Hersteller nachgeordert.
Jene Artikel, die nicht mehr repariert werden können, werden als Ersatzteillager ausgeschlachtet - und so als C-Ware noch zu Geld gemacht. Nur zwei bis vier Prozent der Großgeräte sind tatsächlich gar nicht mehr zu gebrauchen.
Resterampe für Billigware
Lassen sich Retouren nicht mehr als A-Ware verkaufen und sind gleichzeitig noch zu gut für C-Ware, kommen Unternehmer wie Marco Wolski ins Spiel. Er kauft Retouren mit kleinen Mängeln auf, aber auch unverkaufte Rest- und Sonderposten: "Wir machen alles", sagt er. "Wir kaufen braune Ware, weiße Ware, Elektronik, Textilien." Es gehe darum, diese Ware weiterzuverwerten. Die Preise sind niedrig, die Margen auch. Doch über das Volumen rechnet sich die Sache dann doch.
Ihm wird ein größerer Posten an Textilien angeboten, 90.000 Stück: Winter- und Sommerware, Schuhe und Textilien - ein Kessel Buntes. Alles Sachen, die reduziert waren und dennoch im Laden liegen blieben. Die Original-Labels sind noch dran, es handelt sich also um Neuware. Die Artikel seien in Ordnung, sagt Wolski nach Inaugenscheinnahme. Wichtig sei: sauber, nicht beschädigt, Größen müssen passen. "Da geht es jetzt nicht um die Superqualität oder Fashion oder was auch immer - bei dem Preis nicht."
Endstation Rumänien
Marco Wolski macht sich mit ein paar Mustern auf nach Rumänien. Dort, am Stadtrand von Bukarest sitzt Faramarz Madalo, ein Unternehmer, der Ware aus Deutschland über seine acht Billigläden verkauft. Er würde Wolski die Ware abnehmen - wenn der Preis stimmt. Es wird gefeilscht. Wolski will 1,99 Euro pro Artikel, sein Geschäftspartner bietet 1,30. Am Ende werden es 1,65.
Was in Deutschland nicht mehr geht, findet hier ein zweites Leben.