Gesellschaft
Das Leben neu denken – Wie Martin Inderbitzin seiner Diagnose trotzt
Martin Inderbitzin hat Krebs und nur fünf Prozent Überlebenschance. Doch statt an der tödlichen Statistik zu zerbrechen, nimmt er sein Schicksal in die Hand: Seinen Körper macht er zum Trainingsfeld für psychische Belastung. Gleichzeitig sammelt er weltweit ermutigende Geschichten anderer Patienten.
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Was passiert im Gehirn in einer Orientierungskrise? Martin Inderbitzin stellt mit einer Umkehrbrille seine Welt auf den Kopf und simuliert mit diesem Experiment Gefühle, wie sie ihn vor zehn Jahren bei seiner Krebsdiagnose heimgesucht haben. Damals hatte der 40-jährige Zürcher gerade seine Dissertation über die neurologischen Auswirkungen von Stress und Angst auf Gefühle abgeschlossen, als ihn das Schicksal über Nacht zum eigenen Versuchskaninchen machte. Mit der Diagnose Bauchspeicheldrüsen-Krebs und minimaler Überlebensprognose pulverisierten sich mit einem Schlag seine Zukunftspläne. Sein Leben stürzte ins Chaos.
Wie kann man hoffen, wenn die Gefahr zu scheitern, geradezu übermächtig ist? Zufällig hörte Martin damals von der Überlebensgeschichte eines anderen jungen Mannes, der genau dieselbe miserable medizinische Prognose hatte und es trotzdem schaffte. Er merkte, wie ihm diese Geschichte innerlich Halt gab. Noch während seiner kräftezehrenden Chemotherapie meldete sich Martin zum Zürcher Triathlon an und steigerte trotz enormer Anstrengung in kleinsten Dosen seine Trainingseinheiten. Wenige Monate später gelang ihm das Undenkbare: Dem Tod gerade erst von der Schippe gesprungen, schaffte Martin seinen ersten Triathlon – «Das Unmögliche wagen» wurde fortan sein Leitmotiv.
In seinem Glück begann Martin öffentlich darüber zu berichten und zu bloggen, im Bewusstsein, dass seine Geschichte selbst zum Vorbild für andere Betroffene werden könnte. Doch dann schlug der Krebs erneut zu und zwang ihn, seine Erfolgsgeschichte noch einmal zu überdenken. Seitdem tauchen regelmässig Metastasen auf, die ihn nicht nur immer wieder zu operativen Eingriffen zwingen, sondern auch dazu, sich mit seinen Überzeugungen und mentalen Kräften noch intensiver auseinanderzusetzen: Was braucht es, um das eigene Mindset auf solche seelischen Strapazen und wiederkehrende Ängste vor drohendem Tod besser vorzubereiten? Worauf kommt es wirklich an? Martin übt, sich nicht von Furcht tyrannisieren zu lassen, sondern stärker mit Fragen zu beschäftigen, was er eigentlich vom Leben erwartet. Waren es zunächst die Bedürfnisse nach grossen Abenteuern wie Weltumsegelung, Marathon-Rennen oder andere physische Höchstleistungen, verschiebt sich der Fokus allmählich stärker nach innen, auf das feinstoffliche Wahrnehmen des Hier und Jetzt.
Der Film taucht tief in Martins eindrückliche Gedankenwelt ein. Die Zeugnisse seiner nächsten Vertrauten sowie hautnahe Videotagebücher entwerfen ein Portrait, das weit über sein persönliches Schicksal hinausweist. Mit jeder Krise – wie sie Menschen in ganz unterschiedlicher Weise treffen können – wachsen auch Chancen und Möglichkeiten, das Leben neu zu denken.
Ein Film von Sören Senn.