Gesellschaft

Wer pflegt Mama?

Bis 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland auf sechs Millionen anwachsen, berichtet der "Pflegereport". Eine davon könnte die Mutter von "Rabiat"-Autorin Lena Oldach sein. Gemeinsam stellen sich Mutter und Tochter unbequemen Fragen: Was erwartet Christiane, heute 65, später einmal von ihrer Tochter? Und was kann Lena leisten? Auf einer Reise zu Pflegenden in ganz Deutschland sucht Lena ihre Antwort auf die so oft gestellte Frage.

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weltweit
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bis 03.04.2025

Es ist Freitagmittag in Waltrop bei Dortmund. Es klingelt. Sandra Dreischoff strafft ihren Rücken und drückt den Türöffner. Ab jetzt ist Pflegezeit. Für die 52-Jährige gibt es kein arbeitsfreies Wochenende, keinen Feierabend. Denn vor vier Jahren hat sie ihre schwer demente Mutter Renate Walczak zu sich geholt. Unter der Woche wird sie halbtags in einer Tagespflege betreut. "Früher waren wir wie beste Freundinnen. Zu erkennen, dass es jetzt nur noch bergab geht mit ihr, war verdammt schwierig", sagt Dreischoff: "Aber sie ins Heim zu stecken, das bringe ich einfach nicht übers Herz."

Sandra Dreischoff ist eine von vielen Angehörigen, die pflegen. Vier von fünf Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, meist von Frauen. Für sie rächt es sich oft im Alter, wenn sie für die Pflege der Angehörigen aufhören zu arbeiten. Dann fehlt ihnen Geld zur Rente. Der Staat aber rechnet wortwörtlich mit pflegenden Angehörigen. "Ambulantisierung" heißt das Schlagwort der Politik: Sie ist billiger als stationäre Pflege.

Die Wartelisten bei Pflegeheimen sind dennoch lang. Dort zahlt der Staat dazu, wenn das Geld fehlt. Christiane Schalles-Much aus Nossen bei Dresden hat entschieden: Papa muss ins Heim. Sie und ihre Familie waren der Pflege des Vaters nicht mehr gewachsen. "Mein Lebensgefährte und ich konnten keinen Schritt mehr machen. Da blieb nichts mehr übrig an Zeit. Nichts", beschreibt Schalles-Much: "Ich habe Papa dann gesagt: Ich kann das nicht mehr." Nun lebt Wolf Rüdiger Lücht in einem Pflegeheim in der Nähe seiner Tochter. Wirklich glücklich sind beide nicht mit der Situation. Denn das Leben im Heim gefällt Herrn Lücht nicht. "Ich bin in der Wüste - ich will hier nicht sterben", sagt er.

Die häusliche Pflege ist für Angehörige kräftezehrend - oder gar unmöglich, wenn Kinder und Eltern Hunderte Kilometer entfernt voneinander leben. Die stationäre Pflege wiederum ist für viele mit einem Makel belegt. Eine Alternative können mobile Pflegedienste darstellen, die Angehörige unterstützen. Doch auch hier sind die Wartelisten lang, das Arbeitspensum der Pflegekräfte ist hoch und die Zeit knapp bemessen, wie Lena Oldach bei einem ambulanten Pflegedienst in Worpswede bei Bremen erlebt.

Die "Rabiat"-Autorin muss sich mit den eigenen moralischen Ansprüchen an sich selbst auseinandersetzen. Mit der Angst, das eigene Leben auf Stopp zu stellen, um die Mutter zu pflegen, während sie gleichzeitig spürt, dass ihr der Gedanke, die Mutter ins Heim zu stecken, missfällt. Es bleibt ein Dilemma, ein Thema ohne Wohlfühlfaktor, dem sich früher oder später aber fast alle stellen müssen: Wer pflegt Mama - oder Papa?

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