Kultur
Der antisowjetische Denkmalsturz
Vergangenheitsbewältigung mit dem Presslufthammer: Überall in Osteuropa fallen die Denkmale, die an den Sieg der Roten Armee über den Faschismus erinnern. Aber sollte man die sowjetischen Soldaten, die Hitler besiegt haben, nicht in Ehren halten, trotz Putin? Eine Reise in die Ukraine, nach Lettland und zu den sowjetischen Ehrenmalen in Berlin.
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- weltweit
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- bis 17.12.2027
Ein Film von Karsten Gravert
"Wir können uns nicht vorstellen, dass wir in der Ukraine Denkmale mit Hitler-Zitaten akzeptieren würden,“ sagen ukrainische Aktivistinnen von "Vitsche e.V.“ in Berlin. "Aber hier sehen wir einen der größten Diktatoren des 20. Jahrhunderts in goldenen Buchstaben verewigt, mitten in Berlin“. Die Rede ist vom einem Stalin-Zitat am monumentalen sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park in Berlin. Während in der Ukraine und überall in Osteuropa gerade Denkmale der einstigen Sowjetunion entsorgt werden, restauriert und pflegt man sie in Deutschland fein säuberlich. Auf der zentralen Straße des 17. Juni im Berliner Tiergarten stehen bis heute vor einem sowjetischen Ehrenmal zwei T-34-Panzer. Der Historiker Jörg Morré, Direktor des Museums Berlin-Karlshorst, ist für den vollständigen Erhalt dieser Ehrenmale und erinnert an den „Zwei-plus-Vier“-Vertrag, mit dem die Sowjetunion nach dem Mauerfall der deutschen Wiedervereinigung zustimmte: "Wir sind Verpflichtungen eingegangen und der dahinter stehende Gedanke, dass Kriegsgräber unantastbar sind, sozusagen in alle Ewigkeit, den finde ich richtig.“ Auch die furchteinflößenden Panzer im Tiergarten seien eben Teil dieser Kriegsgräber.
In der Ukraine, wo neben alten Sowjetdenkmalen auch Büsten russischer Dichter wie Alexander Puschkin vom Abbau betroffen sind, gibt es nur wenige Stimmen, die sich für den Erhalt der Monumente stark machen. Die Instagramerin Elmira Ettinger setzt sich viel Kritik aus, wenn sie dafür plädiert, auch kontroverse Statuen stehen zu lassen. Sie sagt: "Mir gefällt es nicht, dass alles Sowjetische immer automatisch mit Russland verbunden wird.“ Angesichts einer von den Russen zerschossenen Statue eines Rotarmisten im Kiewer Vorort Horenka, erklärt sie: "Schauen Sie sich die Namen der Toten auf diesem Denkmal an. Das sind ukrainische Namen.“ In der Roten Armee haben eben auch Millionen von Ukrainern gekämpft – und ihr Andenken wird in diesen Denkmälern genauso geehrt wie das der russischen Soldaten.
Spielt man also Putin letztlich in die Hände, wenn man die sowjetischen Siegesdenkmale abreißt? Denn es ist ja seine Propaganda-Idee, dass die Sowjetunion gleichzusetzen ist mit Russland, und dass die russische Armee unter seiner Führung den gleichen Kampf kämpft wie einst die Rote Armee. Das Kreml-Fernsehen schlachtet die Denkmalstürze jedenfalls weidlich aus: Wer antifaschistische Denkmale stürzt, der müsse ja wohl Sympathien für den Faschismus hegen.
Koloniale Gesten Russlands
Viele Länder, die unter der Sowjetherrschaft gelitten haben, sehen in den Denkmälern aber vor allem eines: koloniale Gesten Russlands. Die drei baltischen Länder gehen daher besonders beherzt gegen die Weltkriegsdenkmale vor. Das "Denkmal für die Befreier und Beschützer der Stadt“ im lettischen Daugavpils wurde gerade abgerissen. Ivo Folkmanis, Sohn des Bildhauers , der das Denkmal Anfang der Siebziger geschaffen hat, hat Verständnis für den Abriss. Mit dem russischen Angriffskrieg sei die Zeit für Zwischentöne wohl vorbei. Für ihn persönlich aber zeigt das Denkmal vor allem: "Soldaten, die in den Krieg ziehen mussten und in dem Moment vielleicht gar nichts verstanden haben.“
100 Jahre nach der Gründung der Sowjetunion am 30. Dezember 1922 zeigt die Kulturdokumentation "Der antisowjetische Denkmalsturz“ wie schwierig der richtige Umgang mit Denkmalen der Vergangenheit ist.