Kultur
Glocken - Klang zwischen Himmel und Erde
Sie rufen zum Gebet und verkünden den Frieden. Sie wurden zu Kriegsgerät verschmolzen und danach Symbol des Wiederaufbaus. Sie sind der Inbegriff von Freudenklängen und vermelden das Sterben eines Menschen.
- Produktionsland und -jahr:
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- Datum:
- Sendetermin
- 21.04.2025
- 09:15 - 09:45 Uhr
Sie waren Folterinstrumente und sind Verkünder von Zeit und Vergänglichkeit. Sie sind das Symbol des christlichen Abendlandes - die Glocken.
Die Dokumentation von Helge Reindl geht den kulturgeschichtlichen Wurzeln der Glocken und ihrer Bedeutung für Religion und Gesellschaft heute auf den Grund. Glocken sind mindestens 3.600 Jahre alt und verkörpern daher einen bedeutenden Anteil an der menschlichen Kulturgeschichte. Was macht ihren Mythos aus? Warum werden sie als so archaisch empfunden? Es ist nicht der Wohlklang allein, der die Wahrnehmung des Glockenklangs bestimmt, wie die Professoren Bernhard Tschofen, Roland Girtler und August Schmidhofer in der Dokumentation erläutern.
Quelle: ORF/3sat
Auch wenn Glocken der Überlieferung nach in China als Folterinstrumente eingesetzt worden sind - im Grunde werden sie rund um den Erdball mit dem Christentum identifiziert. In der römisch-katholische Kirche waren und sind sie die Chronometer für alle und auch ihre lautstarke "Artillerie", die zum Gebet ruft. Glocken sind sakrale Gegenstände, aber an ihnen trieb auch der Aberglaube seine skurrilsten Blüten. Eine solche Historie besitzt die evangelische Kirche Österreichs nicht, denn ihr war es noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts verboten, Kirchtürme und Glocken zu besitzen.
Jedes Jahr erklingt zum Jahreswechsel eine der größten und bedeutendsten Glocken der Welt, die Pummerin, vom Stephansdom in Wien. Hoffnung auf ein "Gutes Neues Jahr" ist da ihre Botschaft, aber ihre Existenz allein ist mit tiefer Emotion verbunden. Als sie nach dem 2. Weltkrieg wieder auf den Turm gezogen wurde, war das für Österreich ein tiefes Erlebnis des neuen Friedens. Ihr mächtiger Klang gehört nicht nur einem Musikinstrument, sondern ist Teil der uralten Kulturgeschichte des Menschen.
Geburt eines Urklanges
Glocken sind bis heute Ergebnis eines Handwerks. Das Gießen einer Glocke ist die Geburt eines Urklanges. Trotz Einsatz von Computertechnik bleibt der Guss ein Schöpfungsakt, mit dem noch immer Bangen und Hoffnung verbunden sind. Österreich hat in der Geschichte des Glockengusses weltweit schon immer einen hervorragenden Ruf besessen.
Von den einst zahlreichen Betrieben sind zwar nicht mehr viele übrig geblieben, doch mit dem Unternehmen Grassmayr in Tirol werden Österreichs Glocken aufgrund ihrer Qualität bis nach Übersee exportiert. Bei ihm wird der Guss der großen Glocke für Lana in Südtirol mit der Kamera hautnah miterlebt.
Aber wie bringt man eine Glocke zum Schlagen?
Dafür bietet sich ein Besuch im Tiroler Götzens beim betagten Josef Abentung an, der wahrscheinlich der letzte Glockenstrickmacher Europas ist. Er erklärt die Kunst seines Handwerks am Originalschauplatz und mit Werkzeugen, die schon seit über 200 Jahren in der Familie verwendet werden. Oder man entscheidet sich für moderneres, zum Beispiel für eine elektrische Läuteanlage aus Salzburg, wo man auch Ratschen einer Größenordnung herstellt, die man sogar in Kirchtürmen aufstellen kann und die sehr weit zu vernehmen sind.
Gongs als konzertanter Glockenersatz
Apropos Klang: schon Richard Wagner wollte die Glocke in seinen Werken einsetzen - aber praktisch war das in einem Konzertsaal nicht möglich, so ließ er sich in London ähnliches anfertigen: große Gongs. Darüber spricht die Musikhistorikerin Birgit Lodes aus München, die auch verrät, wie menschliche Stimmen eine Glocke im Konzert nachahmen können.
Glocken haben nicht nur zu Ostern und zur Weihnachtszeit Saison. Der Schweizer und der Bayrische Rundfunk strahlen wöchentlich schon seit über 60 Jahren Glockensendungen aus. Warum das auch im Hightech-Zeitalter des dritten Jahrtausends so ist, erzählen ihre Redakteure Hans-Beat Flückiger und Georg Impler. Aber auch im ORF-Regionalprogramm verkünden sie bis heute täglich die Mittagsstunde.
Daher ist es zwar erstaunlich, aber nicht verwunderlich, dass man in der kleinen Tiroler Ortschaft Brandenberg während des Zweiten Weltkrieges Kopf und Kragen riskierte, um die eigene Kirchturmglocke vor dem Einschmelzen zu bewahren. Immerhin soll sie die Eigenschaft besitzen, durch ihren Klang Unwetter auf einen anderen Kurs zu bringen und von der eigenen Gemeinde abzuhalten.