Kultur
"Kulturzeit" vom 08.10.2024: Das Dorf als Gesellschaftslabor
Die Themen der Sendung: Buch "Rückkehr nach Rottendorf", Michal Hvorecký droht Gefängnisstrafe - Gespräch mit dem slowakischen Autor, Einheitsdenkmal, Rembrandt, Ausstellung "Träum weiter".
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2024
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 12.01.2025
Die Themen der Sendung:
Clemens Tangerding "Rückkehr nach Rottendorf"
Wie so viele kommt Clemens Tangerding vom Dorf. Für sein Studium zog er vor vielen Jahren in die Großstadt, wurde dort Historiker. Für sein neues Buch "Rückkehr nach Rottendorf" kehrte er nun wieder auf das Land zurück. Mittlerweile wohnt er sogar selbst im Brandeburgischen, weit entfernt von den akademischen Milieus. In Dörfern in Ost und West arbeitete Tangering zusammen mit den Bewohnern an der deutschen Geschichte, die auch die Geschichte ihres kleines Ortes ist. Was passierte dort während der Nazizeit? Wer war beteiligt, was machten die Nazis nach dem Dritten Reich. In einer Mischung aus Memoir und politischem Essay erzählt Tangerding Begegnungen in Oerlinghausen und Radeberg, Dietmarszell und Neuenbürg. Dabei überraschen seine Berichte, da sie die eingeübten Wahrnehmungen und Erwartungen enttäuschen. Die viel debattierte gesellschaftliche Spaltung und antidemokratische Stimmung und ihre angebliche Unüberwindbarkeit will er so nicht wiederfinden. Stattdessen zeigen seine Erfahrungen mit Feuerwehrleuten, Lokalpolitikern und Heimatvereinen Lösungsansätze und Formen des Umgangs mit Dissens. Sein Buch ist ein Plädoyer, es ernsthaft mit gesellschaftlicher Pluralität zu versuchen und eine Vielzahl von Perspektiven auszuhalten, auch wenn sie unbequem sind.
Slowakei: Schriftsteller Michal Hvorecký droht eine Gefängsnisstrafe
Seit Wochen läuft die Kulturszene der Slowakei Sturm gegen den radikalen Kurs der neuen Kulturministerin Martina Šimkovičová. Die Ultranationalistin hat seit ihrem Amtsantritt staatliche Kultureinrichtungen unter ihre Kontrolle gebracht und einige Direktoren gekündigt. Rückendeckung erhält sie von Premier Robert Fico. Dem slowakischen Schriftsteller Michal Hvorecký droht nun Gefängnishaft wegen eines Zeitungsartikels, in dem er zwei slowakische Minister, darunter die Kulturministerin Šimkovičová, Neofaschisten genannt hat. Šimkovičová hat Hvorecký wegen Verleumdung angezeigt. Darauf stehen in der Slowakei bis zu fünf Jahre Haftstrafe. Wir sprechen mit dem Schriftsteller über die Vorgänge.
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Die Farce um das Einheitsdenkmal in Berlin
Es steht immer noch nicht da: das Freiheits- und Einheitsdenkmal für die friedliche Revolution und deutsche Wiedervereinigung auf dem Berliner Schlossplatz. 1998 von einer Gruppe von einstigen DDR-Bürgerrechtlern initiiert, 2007 vom Bundestag beschlossen, sollte es zunächst am 3. Oktober 2019, dann am 3. Oktober 2022 und zuletzt 2024 endlich fertig sein. Aber der Bau ruht, die beteiligten Firmen haben Insolvenz angemeldet, die Kosten explodieren. Das Denkmal, eine begehbare tonnenschwere Schale der Demokratie, die sich durch "Bürger in Bewegung" langsam nach beiden Seiten neigen kann, droht zum Denkmal seines Scheiterns zu werden und die ewige Baustelle zum Sinnbild deutsch-deutscher Kalamitäten.
Ausstellung "Rembrandt - Hoogstraten. Farbe und Illusion" in Wien
Mindestens 50 "Opfer" hat der bedeutende niederländische Barockmaler Rembrandt van Rijn auf dem Gewissen: So viele Schüler haben sich in unzähligen Lehrstunden daran abgearbeitet, so zu malen wie er. Wer es schaffte, die Kunst des Meisters perfekt zu imitieren, fiel allerdings dem ewigen Vergessen anheim. Denn die guten Zeichnungen seiner Lehrlinge firmierten fortan unter dem Markennamen "Rembrandt" und wurden spätestens seit dem 18. Jahrhundert vom Kunstmarkt begierig und ohne allzu große Skrupel dem Original zugeschrieben. Nur eine Handvoll der Schüler, etwa Arent de Gelder oder Samuel van Hoogstraten, wurde selbst berühmt, ironischerweise ausgerechnet weil sie ihre eigene Handschrift entwickelten. Das Kunsthistorische Museum in Wien widmet erstmals in seiner Geschichte Rembrandt van Rijn eine Ausstellung und beleuchtet dessen Werk aus der Perspektive des brillanten Samuel van Hoogstraten. "Rembrandt - Hoogstraten. Farbe und Illusion" ist noch bis zum 12. Januar 2025 zu sehen.
Ausstellung "Träum weiter" in Berlin
"Träum weiter" - so heißt die Fotoausstellung, die man sich derzeit im Ausstellungshaus C/O in Berlin ansehen kann. "Träum weiter" - das kann man im doppelten Sinne verstehen, entweder als hoffnungsvoller Appell, oder - im Gegenteil - dass man sich keine Illusionen machen soll. Die Fotos stammen aus einer Zeit, in der in Berlin alles möglich schien: Die wilden 1990er Jahre. Wer sie miterlebt hat, denkt nostalgisch daran zurück, an die vielen Freiräume, das Improvisierte, das Unfertige. Wobei dieser Mythos damals schon Brüche hatte.