Kultur
"Kulturzeit" vom 12.04.2024: documenta vor dem Aus?
Die Themen der Sendung: Diskussion um die Zukunft der documenta, das Duell Voigt vs. Höcke - Gespräch mit Ben Krischke, Kritik am Rahmenkonzept Erinnerungskultur und Comicbuchtipps.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2024
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 12.04.2025
Die Themen der Sendung:
Wie geht es weiter mit der documenta?
Die Diskussion um die Zukunft der documenta erhitzt sich. Nach dem Antisemitismus-Skandal der letzten Ausgabe stellen einige gar den Fortbestand der weltweit größten Ausstellung für zeitgenössische Kunst in Frage. So der Kunstwissenschaftler Harald Kimpel: Die documenta habe mittlerweile ihr letztes Stadium erreicht, meint er. Sie sei nur noch eine leere Hülse mit beliebigem Inhalt. Ganz anders sieht das Hans Eichel, früherer Bundesfinanzminister, Hessen-MP und Kasseler Oberbürgermeister. Er sieht die Kunstfreiheit in Gefahr, wenn der documenta immer mehr Auflagen gemacht würden. Die Ausstellung habe in ihrer Geschichte immer wieder wichtige Denkanstöße gegeben. Es brauche auch keine Aufsicht, das würde die Freiheit der Kunst zerstören. Und wie stellt sich Kultur-Staatsministerin Claudia Roth die Zukunft der Kunstschau vor? Und der neue hessische Kultusminister?
Mehr zur documenta
Das TV-Duell Voigt vs. Höcke - Gespräch mit Ben Krischke
Gut fünf Monate vor der Landtagswahl in Thüringen haben sich der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zu einem Streitgespräch im TV-Sender Welt getroffen. Mehr als 70 Minuten lang stritten sie über Themen wie die Europapolitik und Migration und lieferten sich dabei teils heftige Wortgefechte. Beide treten als Spitzenkandidaten ihrer Parteien zur Landtagswahl am 1. September an. Das TV-Duell bescherte dem Sender Rekord-Einschaltquoten und stieß auf geteilte Reaktionen. Die Bundes-CDU nannte es "wichtig". Voigt habe gezeigt, worum es gehe: "Ein vernünftiger politischer Neuanfang für Thüringen oder Chaos und Spaltung durch die angebliche Alternative", erklärte die CDU im Kurzbotschaftendienst X. Auch Voigt zeigte sich zufrieden mit dem Streitgespräch im TV-Sender Welt. "Es ist offensichtlich geworden, dass es deutliche Unterschiede gibt zwischen einer CDU, die in der Mitte steht, und einer rechtsextremen Truppe um Björn Höcke", sagte er am 12. April in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Er zeigte sich überzeugt, dass das TV-Duell mit AfD-Rechtsaußen Höcke Wähler beeinflusst habe, wenn auch nicht überzeugte Höcke-Fans. Der große Zuspruch zeige ihm zudem, "dass es richtig war, die Unterschiede offenzulegen". Voigt schloss ein weiteres Duell mit Höcke nicht aus.
Auch der Zentralrat der Juden lobte das Duell. "Das TV-Duell zwischen Björn Höcke und Mario Voigt hat gezeigt, dass AfD-Funktionäre immer wieder mit ihren radikalen Ansichten konfrontiert werden müssen", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Dann kann es auch helfen, wenn jemand wie Höcke im Fernsehen sich bis zur Selbstaufgabe herauszureden versucht und ein trauriges Bild abgibt", so Schuster. Man dürfe nicht dabei stehen und zuschauen, wie sich die AfD einem bürgerlichen Publikum als vermeintlich gemäßigte Partei präsentieren will, "denn das ist sie nicht."
Kritik kam dagegen von den Linken. Es sei von vornherein klar gewesen, "Höcke wird dieses Podium nutzen für seine Phrasen, für seine Politik", sagte die Bundestagsabgeordnete der Linken, Martina Renner, im RTL/ntv-"Frühstart". Voigt sei es nur darum gegangen, seine Bekanntheit zu steigern. Auch SPD und Grüne hatten im Vorfeld kritisiert, Voigt biete Rechtsextremisten eine Bühne. Wir sprechen mit Ben Krischke, Autor und Digitalchef beim Magazin "Cicero", über das TV-Duell.
Kritik am Rahmenkonzept Erinnerungskultur
Die Ampelparteien haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass die erinnerungspolitische Arbeit der Bundesregierung neu aufgestellt werden soll. Anfang Februar war für kurze Zeit ein Entwurf für ein neues "Rahmenkonzept Erinnerungskultur" auf der Homepage von Kulturstaatsministerin Claudia Roth online. Danach sollen neben dem Nationalsozialismus, der Schoah und der Geschichte der DDR künftig drei weitere Felder in den Blick genommen werden: Der Kolonialismus, die Geschichte der Einwanderungsgesellschaft und die wechselhafte Geschichte der Demokratie. Verbände und Arbeitsgemeinschaften der Gedenkstätten haben sich daraufhin in einem Brief an die Kulturstaatsministerin gegen die Aufnahme der Themen Migrationsgesellschaft und Demokratiegeschichte in den Entwurf ausgesprochen. "Das Papier kann als geschichtsrevisionistisch im Sinne der Verharmlosung der NS-Verbrechen verstanden werden", folgerten die Unterzeichner, darunter die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in Deutschland. Die Kulturstaatsministerin hat daraufhin Vertreter und Vertreterinnen der Gedenkstätten zu einem Runden Tisch zur Erinnerung an NS-Unrecht und SED-Diktatur eingeladen. Über den Sommer solle man sich vertieft austauschen, damit im Herbst eine aktualisierte, zukunftsfähige Gedenkstättenkonzeption vorliegen könne.
Streit um das "Liebesnest" von Joseph Goebbels
Es ist wohl einer der geschichtsträchtigsten Lost Places in Deutschland: das Areal der ehemaligen FDJ-Hochschule samt Goebbels-Villa. Einst hatte das Land Berlin Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels das idyllische Grundstück am Bogensee geschenkt. 1939 baute ihm der Filmkonzern UFA auf dem Grundstück eine Villa mit insgesamt 30 Zimmern und ein weiteres Gebäude für Gäste und Wachschutz. In dieser Villa soll Goebbels damals seine Geliebte empfangen haben. 1946 ging das Areal an die kommunistische Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) über. Diese nutzte die Gebäude als Ausbildungsort. Schnell wurden die Räumlichkeiten jedoch zu klein. So wurde in den 1950er-Jahren neben der Villa Bogensee ein großer Neubaukomplex errichtet. 40 Jahre lang wurde es von der FDJ genutzt. In dieser Zeit gab es insgesamt rund 15.000 Absolventinnen und Absolventen. Nach der Wende soll die Berliner Polizei die Räumlichkeiten ein Mal im Jahr für Schulungen genutzt haben. Seit dem Jahr 2005 stehen die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude komplett leer. Heute verfällt das Gebäude. Der Putz bröckelt, das Unkraut wuchert. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Pläne, das Areal zu verkaufen. Doch es herrscht die Sorge, dass rechtsextreme Gruppen den Ort zu einem Wallfahrtsort machen könnten. Nun droht der Abriss. Doch gegen den Abriss regt sich Widerstand. Ein Abriss-Moratorium wird gefordert. Das Areal und die Gebäude sollen erhalten und weitergenutzt werden, als ein "Ort der Demokratie". Das bundesweit einzigartige Areal sei historisch sowie architektonisch von herausragender Bedeutung und unbedingt schützenswert, sagte Landrat Daniel Kurth. Der Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert, warnte, ein Abriss würde die Vernichtung eines wichtigen Erinnerungsortes bedeuten. "Die baulichen Zeugnisse auf dem Bogensee-Areal – FDJ-Hochschule und Goebbels-Villa – sind erinnerungskulturell von internationaler Bedeutung".