Kultur

Israelische Wissenschaftler vor dem Aus?

Abgesagte Einladungen zu Konferenzen, Einstellungsstopp für Israelis an ausländischen Institutionen, Ablehnung wissenschaftlicher Artikel aus politischen Gründen, Unterbrechung von Vorlesungen im Ausland – israelische Wissenschaftler zeichnen ein schmerzhaftes Bild des ausländischen Boykotts seit dem Kriegsausbruch.

Datum:
Verfügbar
weltweit
Verfügbar bis:
bis 10.05.2025

Ravit Alfandari von der Fakultät für Sozialarbeit der Universität Haifa arbeitete über ein Jahr lang mit einem Forscher aus Nordirland an einer groß angelegten Studie über häusliche Gewalt. Auch nach Ausbruch des Krieges in Gaza wurde ihre Zusammenarbeit zunächst fortgesetzt. "Ich verstehe Sie", sagte der irische Kollege in einem der Gespräche mit Alfandari. "Auch ich weiß, wie es ist, unter einer Bedrohung zu leben." Doch im November teilte er ihr mit, dass er eine Petition unterzeichnet habe, die zu einem akademischen Boykott Israels aufrief. "Ich habe nicht vor, jemals wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten", sagte er. "Das ist keine vorübergehende Sache. Sie begehen einen Völkermord in Gaza."

Gil Drori: "Die Trennung von der Welt erstickt uns"

Im Dezember beendete ein Literaturwissenschaftler der belgischen KU Leuven ein gemeinsames Projekt mit einem Wissenschaftler der Hebräischen Universität in Jerusalem, Heim von Forschern wie Eva Ilouz und Moshe Zimmermann. "Unsere Schüler sind zu diesem Thema 'sehr lautstark'", schrieb der belgische Wissenschaftler und erklärte, dass jemand auf Prüfungsformularen, die im Unterricht verteilt worden waren, geschrieben hatte: "Leuven – hört auf, Völkermord zu unterstützen". Leuven knickte ein. Es sind zwei von dutzenden Beispielen. Jahrzehnte war BDS, die pro-palästinensische, vom Bundestag als antisemitisch eingestufte Bewegung für Boykott Israels ein Randphänomen, dessen größte Erfolge Musiker wie Stevie Wonder, Elvis Costello und Lauryn Hill waren, die ihre Konzerte in Israel absagten. Seit Beginn des Gaza-Kriegs ist Israel-Boykott eine existentielle Bedrohung für die akademische Welt Tel Avivs und Jerusalems geworden. Denn Forschung ist auf internationalen Austausch angewiesen. Die Tragik: Anders als totalitäre, oft boykottierte Regime wie Russland oder China hat Israel eine liberale, demokratische Forschungsszene, die nicht nur in High Tech federführend ist. In den letzten 15 Jahren gab es zum Beispiel vier israelische Chemie Nobelpreisträger. Leidtragende wird auch die Forschung selbst sein. "Der Damm ist gebrochen", erklärt Gil Drori, Dekanin der Fakultät für Sozialwissenschaften and er Hebräischen Universität. "Über einen akademischen Boykott von Wissenschaftlern in Israel zu sprechen, ist legitim geworden. Es ist eine ganz neue Welt. Wir befinden uns in einer sehr extremen Situation, und ich weiß nicht, ob und wie es möglich sein wird, die Dinge rückgängig zu machen. Die Trennung von der Welt erstickt uns."

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