Kultur
"Kulturzeit" vom 12.03.2024: Saviano - der Mafiajäger und die Ultrarechte
Die Themen der Sendung: Roberto Saviano über "Falcone", Verdachtsfall AfD - Gespräch mit Pia Lamberty, Gerhard Richter, neues Holocaust-Museum Amsterdam, vom Siegeszug des Küssens.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2024
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 22.02.2025
Die Themen der Sendung:
Roberto Saviano über seinen Roman "Falcone" und die Meloni-Regierung
Roberto Saviano, Italiens berühmtestes lebendes Mafia-Opfer, hat soeben ein Buch geschrieben, das gerade bei Hanser erschienen ist: "Falcone" heißt es und erzählt die Lebensgeschichte des Mafiajägers und Richters Giovanni Falcone, der 1992 in Palermo von der Mafia erschossen wurde. Damit wurde er zur Symbolfigur der organisierten Kriminalität auf Sizilien. Roberto Saviano, der unter Polizeischutz steht und aus Sicherheitsgründen alle paar Tage seinen Aufenthaltsort wechselt, hat neuerdings einen weiteren Feind: die ultrarechte Meloni-Regierung, deren schärfster Kritiker er ist. Seine journalistischen Leistungen, seine Zivilcourage – sind unerwünscht. Er soll schweigen. Seine Sendung im staatlichen Fernsehsender RAI wurde gestrichen. Wir haben Saviano an einem geheimen Ort getroffen und ihn zur aktuellen Situation in Italien, besonders was die Pressefreiheit betrifft, befragt.
Verdachtsfall AfD - Gespräch mit Pia Lamberty
Zu Beginn der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster über die Einstufung der AfD als "extremistischer Verdachtsfall" ist die Partei mit mehreren Anträgen gescheitert. Der Senat lehnte unter anderem einen Antrag gegen die Besetzung des Senats ab. Der Antrag sei rechtsmissbräuchlich gestellt und lasse keinen Ablehnungsgrund erkennen, hieß es. Auch ein Antrag auf Vertagung der Verhandlung wurde vom Gericht abgelehnt. Außerdem wies das Gericht einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Es sei nicht zu erkennen, warum eine öffentliche Bekanntgabe der Fakten die öffentliche Sicherheit gefährden solle, begründete der Senat die Entscheidung. Das in Köln ansässige Bundesamt für Verfassungsschutz hatte im Jahr 2019 die "Junge Alternative für Deutschland" als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft. Wir sprechen mit der Extremismusforscherin und Sozialpsychologin Pia Lamberty darüber.
Neues Holocaust-Museum in Amsterdam
Die Niederlande bekommen erstmals ein Holocaust-Museum. Und das am historischen Ort, gegenüber dem Theater "Hollandsche Schouwburg" in Amsterdam, wo deutsche Besatzer – und ihre niederländischen Helfer – Juden festhielten, bevor sie sie verschleppten. Aus dem Kindergarten auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnten noch einige jüdische Kinder herausgeschmuggelt werden und entgingen der Deportation. In diesem Gebäude erzählen Objekte nun Geschichte: Der Bischofsmantel, in dem ein Widerstandkämpfer als Sinterklaas verkleidet geheime Botschaften überbrachte oder ein Spielzeug, das ein jüdischer Junge seinem besten Freund schenkte, bevor er deportiert wurde.
Gerhard Richter in Nürnberg
Gerhard Richter ist der teuerste lebende Maler der Welt. Seit Jahren bricht er alle Rekorde, seine Bilder werden für Millionen versteigert. Selbst um seine im Müll gelandeten Skizzen wird gestritten. Nun sind 30 seiner Werke in Nürnberg zu sehen, darunter das bekannte "Seestück" und "Canaletto", das im Bundeskanzleramt Staatsgäste aus aller Welt kommen und gehen sah.
Vom Siegeszug des Küssens
Man könnte annehmen, es sei die weltweit am einfachsten zu verstehende Kommunikationsform: das Küssen. Ein Zeichen der Zuneigung, die keiner Worte bedarf, nah, intim, zweisam – über alle Grenzen hinweg. Dass die Sache weitaus komplizierter ist und vielleicht sogar langsam das Ende seiner kulturgeschichtlichen Laufbahn dämmert, beschreibt der Kommunikationswissenschaftler und Journalist Hector Haarkötter in seinem Parcours durch die außerordentlich vielschichtige Geschichte des Vorgangs in "Küssen: Eine berührende Kommunikationsart".
Nicht einmal die Hälfte der menschlichen Kulturen übt die Kommunikationsform mit Routine und Leidenschaft aus – die Geschichte des Küssens kennt heftige Auf und Abs, Missverständnisse und Doppeldeutigkeiten. Mit dem Kuss wurde einst das Christentum begründet, mit dem Kuss des Judas, eine Geste der Zuneigung und des Verrats zugleich. Das Küssen habe dem Urchristentum zur anfänglichen Popularität verholfen, meint Haarkötter. Später ist es vom gleichen Christentum wieder stark sanktioniert worden. Im Mittelalter küsste man sich pausenlos. Die Philosophen der Aufklärung, allen voran Kant und Voltaire, verdammten das Küssen als wenig hygienisch. Sigmund Freud beschrieb es, etwas provokant, als "Perversion", denn man würde schließlich mit dem Eingang des Darmtrakts zum Reproduktionsprozess wenig beisteuern. Auch wenn Heinrich Heine, Leonid Breschnew und Prince sich einig wären, dass ein richtiger Kuss erst dann gut ist, wenn die Lippen halb abgebissen sind: Haarkötter sieht der Zukunft des Küssens eher mit zusammengepressten Lippen entgegen, angesichts unserer Bildschirm-Existenz und Pandemie-Ängsten. Ein Versuch der Annäherung.