Kultur
"Kulturzeit" vom 11.11.2024: Vertrauensverlust, Ampel-Aus und Wähler-Frust
Die Themen der Sendung: Andreas Reckwitz zum Vertrauensverlust, Doku "Unter Missbrauchsverdacht"- Gespräch mit Lena Gilhaus, der Star und der Stolperstein, Nachruf auf Jürgen Becker, Schüttelreime.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2024
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 11.11.2025
Die Themen der Sendung:
Andreas Reckwitz über Vertrauensverlust und Ampel-Aus
Möglicherweise ist es eines der größten Probleme unserer Gegenwart, dass Menschen kein Vertrauen mehr in die Politik haben, dass etwas Elementares verloren gegangen ist. Vertrauensverlust war jüngst eines der meist bemühten Schlagwörter - von Olaf Scholz über Christian Lindner bis hin zu den Wählern von Donald Trump, die das Vertrauen in die Machbarkeit von Politik verloren haben. Doch geht es wirklich um Vertrauensverlust? Wir sprechen mit Andreas Reckwitz, Autor des Buches "Verlust. Ein Grundproblem der Moderne".
Andreas Reckwitz im Gespräch auf der Frankfurter Buchmesse
Lena Gilhaus über institutionelle Gewalt gegen Kinder
Jeden Tag werden in Deutschland 54 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Warum ist das möglich? Laut Bundeskriminalamt sind die Fallzahlen seit 2019 um 20 Prozent gestiegen. So wird beispielsweise ein Erzieher über 40 Jahre hinweg an verschiedenen Orten Deutschlands immer wieder des sexuellen Missbrauchs an Kindern verdächtigt und angezeigt. Trotzdem bleibt er über Jahrzehnte im Dienst mit Kleinkindern. Eine Dokumentation von Lena Gilhaus zeigt das systemische und institutionelle Versagen beim Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt und beleuchtet mögliche Ursachen. Wir sprechen mit der Regisseurin Lena Gilhaus über ihre Recherchen und institutionelle Gewalt gegen Kinder.
Star mit Stuttgarter Wurzeln – Eleanor Reissa alias Lilka Zweifler
Jiddisch ist ihre Muttersprache – und so spricht sie auch in der preisgekrönten ARD-Serie "Die Zweiflers": Eleanor Reissa, Schauspielerin und Sängerin, geboren in New York City. Dass ihre Wurzeln in Stuttgart liegen, hat sie erst vor wenigen Jahren erfahren. Angefangen hat alles mit einem Bündel Briefe. Eleanor Reissa fand es nach dem Tod ihrer Mutter 1986 in deren Wäscheschublade. Mehr als 50 Briefe - auf Deutsch, einer Sprache, die sie zu Hause nie gehört hatte. Es dauerte 30 Jahre, bis sie Chuzpe und Gelegenheit hatte, sie übersetzen zu lassen. Wie es dann zu ihrer Reise nach Süddeutschland kam, darüber hat sie ein bewegendes Buch geschrieben, das es aktuell nur auf Englisch gibt: "The Letters Project: A Daughter’s Journey" handelt von Eleanor Reissas abenteuerlichen Recherche nach den Wurzeln ihres Vaters.
Damit nicht genug: Nun war sie in Stuttgart zur feierlichen Verlegung von vier Stolpersteinen – für ihren Vater und seine erste Familie. Ein bewegender Moment, den Eleanor Reissa gerne mit aller Welt teilt. Denn sie wünscht sich, dass ihr Vater und seine Familie nicht vergessen werden. In der Serie spielt sie die Großmutter Lilka Zweifler, die wie Reissas Vater nach Auschwitz verschleppt wurde. Und wie dieser ein Holocaust-Fighter!
Nachruf auf Jürgen Becker
Der Schriftsteller und Georg-Büchner-Preisträger Jürgen Becker ist im Alter von 92 Jahren in Köln gestorben. Der vielfach ausgezeichnete Becker erhielt 2014 den mit 50.000 Euro dotierten Büchner-Preis, der als wichtigste Literaturauszeichnung in Deutschland gilt. Zur Begründung hieß es damals, Becker habe "in seinem über Jahrzehnte gewachsenen Werk die Gattungsgrenzen von Lyrik und Prosa beharrlich neu vermessen und verändert". So habe er die deutschsprachige Dichtung über Generationen entscheidend geprägt. Neben dem Büchner-Preis bekam Becker unter anderem auch den Preis der Gruppe 47 und den Heinrich-Böll-Preis. Zu seinen Werken gehören zum Beispiel "Felder" (1964) und "Ränder" (1968), zu seinen Lyrikbänden etwa "Das Ende der Landschaftsmalerei" (1974) und "Foxtrott im Erfurter Stadion" (1993). Noch 2024 erschien der Band "Nachspielzeit. Sätze und Gedichte". Becker verfasste auch Hörspiele.
"Wende und Wiedervereinigung wirkten entscheidend auf das Schreiben Jürgen Beckers ein", erklärte der Suhrkamp Verlag, der ebenfalls den Tod Beckers bestätigte, auf seiner Internetseite. "Die Wiederentdeckung der Orte und Landschaften zwischen Elbe und Oder, Rügen und Thüringer Wald motivierten seine Gedichtbände 'Foxtrott im Erfurter Stadion' (1993) und 'Journal der Wiederholungen' (1999), die Erzählung 'Der fehlende Rest' (1997) und vor allem den im Sommer 1999 erschienenen Roman 'Aus der Geschichte der Trennungen'." Becker wurde 1932 in Köln geboren. Während des Zweiten Weltkriegs und in der Zeit danach lebte er in Erfurt, bevor er nach Aufenthalten an einigen anderen Orten 1950 zurück an den Rhein kam. Becker ging unterschiedlichen Tätigkeiten nach, zum Beispiel als Journalist für den WDR und den Deutschlandfunk, wo er die Hörspielredaktion leitete. Er arbeitete zudem in den Verlagen Rowohlt und Suhrkamp.
Schüttelreime
Schüttelreime haben eine lange Tradition im Sprachspiel, in der Unterhaltung (Heinz Erhard u.a.), in der Kunst (Martin Kippenberger). Dietrich Brüggemann lässt jetzt die Kultur des Schüttelreimes wieder aufleben in seinem Buch: "Wer parkt denn hier sein Mofa, mitten auf mein Sofa".