Kultur
"Kulturzeit" vom 13.02.2024: Wie TikTok den Antisemitismus befeuert
Die Themen der Sendung: Die TikTok-Intifada - Gespräch mit Deborah Schnabel, Hamburger Bahnhof, Kunst in Kiew, Filmförderung, Buch "Austrian Psycho" und Sängerin Mine.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2024
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 13.02.2025
Die Themen der Sendung:
Die TikTok-Intifada - Gespräch mit Deborah Schnabel
Soziale Netzwerke spielen einer neuen Studie zufolge eine weit unterschätzte Rolle bei der Verbreitung von Antisemitismus, Israelhass und Verschwörungserzählungen. "Lehrkräfte berichten, wie Schülerinnen und Schüler plötzlich mit terrorverharmlosenden, israelfeindlichen, antisemitischen und unverrückbaren Positionen zum Nahostkonflikt in die Schule kommen - als hätten sie sich über Nacht radikalisiert", sagte Deborah Schnabel, Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank. Dies hänge stark mit dem Social-Media-Konsum der jungen Generation zusammen. "Besonders die Videoplattform TikTok trägt zu einer Speed-Radikalisierung junger Menschen bei", erklärte Schnabel. Dort tummelten sich Hassprediger - von extremen Rechten bis Islamisten - und verbreiteten Antisemitismus und Rassismus unter sehr jungen Menschen. "Kein anderes Soziales Medium versorgt eine so vulnerable Zielgruppe mit derart verstörendem Content - weitgehend ohne Aufsicht", so Schnabel. Der anlässlich des Safer Internet Days veröffentlichte Bericht der Bildungsstätte trägt den Titel "Die TikTok-Intifada - Der 7. Oktober und die Folgen im Netz". Wir sprechen mit Deborah Schnabel über die Studie.
Polizei ermittelt nach Störaktion im Museum Hamburger Bahnhof
Nach propalästinensischen Störaktionen am Wochenende im Berliner Museum Hamburger Bahnhof ermittelt die Polizei. Zunächst sollen Zeugen vernommen werden, sagte eine Polizeisprecherin in Berlin. Die Museumsleitung hatte per Internet eine Anzeige wegen Beleidigung an die Polizei übermittelt. Erst nach Befragung der Zeugen und nach Sichtung von Videoaufnahmen könne gesagt werden, ob die Beleidigungen einen rassistischen, israelfeindlichen oder antisemitischen Hintergrund hatten, hieß es weiter. Eine Gruppe von etwa 20 propalästinensischen Aktivisten hatte am Nachmittag und Abend des 10. Februar im Hamburger Bahnhof eine Lesung von Texten der jüdischen Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) über die Ursprünge des Totalitarismus und Nationalsozialismus lautstark gestört. Die Performance der kubanischen Künstlerin Tania Bruguera war auf 100 Stunden angesetzt. Nach den Vorfällen entschied die Künstlerin, die Lesung nicht fortzusetzen. Medienberichten zufolge soll es bei den Störaktionen unter anderem zu Hasstiraden gegenüber einer Vorleserin und einem der Museumsdirektoren gekommen sein. In Videos, die auf Instagram verbreitet wurden, skandieren die Aktivisten unter anderem: "Viva, viva Palestina" ("Es lebe Palästina"), "Israel is a zionist state" ("Israel ist ein zionistischer Staat") und "No more silence, no more fear, genocide is cristal clear". Zudem hieß es: "Deutschland finanziert, Israel bombadiert".
Das Buch "Austrian Psycho"
Schriftsteller, Frauenschwarm, Serienkiller: das war Jack Unterweger. Das Buch "Austrian Psycho" untersucht jetzt, wie es Unterweger gelang, derart viele Menschen zu manipulieren.
Kunst im Krieg - Atelierbesuch in Kiew
Oft übernachtet er mit der ganzen Familie im Atelier, mitten in Kiew: Dort sind die Wände dicker als in der Wohnung und bieten nicht nur den Menschen, sondern auch der Kunst Schutz. Denn Kunst macht Oleksiy Sai immer noch, trotz des Krieges – jetzt erst recht, wenn auch anders als vorher. Sein Stil hat sich komplett verändert, statt farbenfroher, grafischer Werke malt er jetzt düstere Gemälde mit schwarzem Rauch und Einschusslöchern. Doch allein die Tatsache, dass er Kunst macht, ist ein Akt des Widerstandes gegen Putin, der mit seinem Angriffskrieg auch die ukrainische Identität und Kunst zerstören will. Doch wie lebt es sich als Kunst- und Kulturschaffende im beginnenden dritten Kriegsjahr? Auf Atelierbesuch in Kiew bei Oleksiy Sai und Anna Zvyagintseva, die die Ukraine 2015 mit auf der Kunstbiennale in Venedig vertrat und mit dem Beginn des Krieges in ihrer Kunst auf die Geschehnisse in ihren Installationen reagiert. Derzeit arbeitet sie an Gemälden, während immer mehr Angriffe auch auf Kiew stattfinden.
Bund will Filmförderung neu aufstellen
Kurz vor dem Start der Berlinale hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) ihre Reformpläne für die Filmförderung vorgestellt. Ziel sei, die Standortbedingungen für Filmproduktionen in Deutschland zu verbessern, sagte Roth in Berlin. Neben Steueranreizen und einer Investitionsverpflichtung soll die Filmförderungsanstalt (FFA) zur zentralen Einrichtung für Förderungen ausgebaut werden. Ein entsprechender Referentenentwurf für eine Novelle des Filmförderungsgesetzes (FFG) liege vor. Das Gesetz läuft Ende des Jahres aus. Anfang 2025 soll die Novelle in Kraft treten, sagte Roth. Die Verhandlungen mit den Ländern, von denen einige wichtige Produktionsstandorte sind, laufen. Die Kulturstaatsministerin betonte, die Reform biete "die Chance für einen großen Wurf". Ziel sei eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und eine Stärkung des deutschen Films. Die Branche müsse sich angesichts der zunehmenden Bedeutung von Streamingdiensten und Mediatheken sowie einer verschärften internationalen Konkurrenz der Filmstandorte neu aufstellen. Hintergrund ist eine trübe Stimmung in der Branche. Die deutschen Film- und Fernsehproduzenten rechnen 2024 mit einem Rückgang der Auftragsproduktionen von rund zehn Prozent. Der Hauptgeschäftsführer der Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen, Björn Böhning, kritisierte eine Kürzung bei der Filmförderung im Bundeshaushalt um rund 15 Millionen Euro. Im internationalen Vergleich liege das deutsche Förderniveau ohnehin um 10 bis 15 Prozent niedriger. Zugleich seien die Produktionskosten um etwa 18 Prozent gestiegen. Mit der Bündelung der Filmförderung des Bundes unter dem Dach der FFA will Roth eine "Förderung aus einer Hand" schaffen. Wesentliche Neuerung sei die Konzentration auf die Förderbereiche Produktion, Verleih und Kino sowie "eine weitgehende Automatisierung der Förderinstrumente". Als besonderen Anreiz für Hersteller und Produktionsdienstleister bezeichnete sie die geplante "Einführung eines Steueranreizmodells". Es soll die bisherigen Standortförderinstrumente - den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und den German Motion Picture Fund (GMPF) - ersetzen. Film- und Serienproduktionen sowie Dienstleister sollen demnach bis zu 30 Prozent der anerkannten deutschen Herstellungskosten als Filmförderzulage zurückerhalten, finanziert aus dem Aufkommen der Körperschaft- und Einkommenssteuer. Dies schaffe im Gegensatz zu der gedeckelten Zuschussförderung Planungssicherheit, insbesondere für internationale Großproduktionen.
Mine und ihr neues Album "Baum"
Ihr Sound gehört zum Spannendsten, was der deutsche Pop zu bieten hat. Seit mittlerweile zehn Jahren steht die Sängerin, Multiinstrumentalistin und Songwriterin Mine für eine bemerkenswerte musikalische Mischung - eingängig und doch unvorhersehbar. Pathetisch, poetisch, klug. Ihre Arrangements sind beeinflusst von Folk, Jazz, Rap und Klassik. Für Mine, die mit bürgerlichem Namen Jasmin Stocker heißt und in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen ist, ist das Musikschreiben eine Spielwiese, ein Ort zum Austoben. Männerchöre, Waldhörner, exotische Synthesizer, Trap Beats. Das alles arrangiert sie selbst, ist nicht nur Komponistin, auch Produzentin. Ihre Texte sind oft sehr persönlich, Tagebucheinträge, Stationen in ihrem Leben, die sie in Liedform immer wieder besuchen kann. Mit "Baum" erscheint nun das mittlerweile fünfte Studioalbum der Musikerin. Künstlerisch wie persönlich sei sie so frei wie nie, sagt sie. "Ich hatte das Gefühl, das Verrottete fällt ab und es entsteht etwas Neues."