Wissen
scobel - Kulturtechniken im Umbruch
Lesen, Schreiben, Rechnen sind elementare Kulturtechniken für die Gestaltung von komplexen Gesellschaften. Werden jetzt auch digitale Kompetenzen für Kommunikation und Teilhabe benötigt?
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2022
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 08.09.2027
Einige Kulturtechniken sind für Leben und Beruf so grundlegend, dass sie von Generation zu Generation immer wieder neu vermittelt werden. Andere Kulturtechniken, besonders in der Freizeit, unterliegen Moden und unterscheiden sich daher stark in ihrer Verbreitung.
Bestandteil der Zivilisationsgeschichte
Welches Wissen und welche Fähigkeiten sind notwendig, um die Anforderungen und gegenwärtigen Krisen zu bewältigen? Wie nützlich und hilfreich sind dabei traditionelle Fähigkeiten – und wie steht es um digitale Technologien, die mittlerweile für viele Aufgaben zum Einsatz kommen?
Bereits in den ersten Hochkulturen wie in Ägypten waren Kulturtechniken unentbehrlich. Handwerker nutzten weitergegebenes Erfahrungswissen für die Ausübung ihrer Tätigkeiten. Aufgrund der Arbeitsteilung, des Tauschhandels und der Steuern verwendeten Kaufleute, Verwalter und Beamte für die Erledigung verschiedener Arbeiten die damaligen Bilderschriften und Rechenformeln. Kulturtechniken sind also ein wesentlicher Bestandteil der Zivilisationsgeschichte. Ihre Bedeutungen blieben bis heute erhalten, auch wenn die Anzahl der Techniken wegen der Ausdifferenzierung der Berufe und Freizeitangebote inzwischen stark gestiegen ist.
Neue Perspektiven
Die Wischbewegungen der Hände auf den Smartphones oder die Emojis auf den sozialen Plattformen sind in der kulturellen Praxis neue Formen und Ausdrucksweisen. Werden diese hypermodernen Kulturtechniken langfristig bestehen oder in einem Jahrzehnt wieder verschwunden sein? Im Gegensatz dazu ist der Wegfall von Computern und Internet geradezu unvorstellbar, beispielsweise wegen der Versendung von E-Mails, elektronischen Steuererklärungen, behördlichen und geschäftlichen Formularen, Buchungen, Informationen und dergleichen mehr.
Die Digitalisierung stellt einen kulturellen Umbruch dar, wie ihn einst der Buchdruck auslöste. Doch noch weiß niemand ganz genau, wie sich die Technik auf ihre Nutzer auswirken wird und in welchem Umfang die Nutzer die Technik in Anspruch nehmen werden.
Die neuen Technologien ermöglichen auch neue Perspektiven: Warum sollen junge Menschen überhaupt noch lesen, schreiben und rechnen? Können sie diese Aufgaben nicht einfach "Siri" oder "Alexa" übertragen und die freie Zeit für andere Lerninhalte nutzen? Oder brauchen die nächsten Generationen dieses Wissen, damit sie die Kontrolle über die neuen Informationstechnologien nicht vollständig verlieren?
In der Coronapandemie wurden alte Kulturtechniken wie Nähen, Gärtnern und Reparieren wieder neu entdeckt. Können sich solche Praktiken auf das Konsumverhalten und die Ressourcenverschwendung auswirken? Wie wichtig sind Kulturtechniken für die Entstehung von Gruppen und Identitäten?
Diese und andere Fragen diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen.
Gäste
Sybille Krämer ist Philosophin und arbeitet über Sprache, Schriften und Bilder und was diese medialen Praktiken für die Entwicklung unserer Erkenntnisfähigkeit bedeuten. Sie war Gründungsmitglied des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Dirk Baecker ist Soziologe und untersucht unter anderem Digitalisierung in modernen Gesellschaften. Er ist Seniorprofessor für Soziologie an der Zeppelin Universität Friedrichshafen.
Felix Stalder ist Kultur- und Medienwissenschaftler und beschäftigt sich mit dem Wechselverhältnis von Gesellschaft, Kultur und Technologien. Er ist Professor für Digitale Kultur und Theorien der Vernetzung an der Züricher Hochschule für Künste.