Wissen
scobel – Aufklärung neu denken!
Der Zugang zum Wissen war noch nie so breitgefächert wie in unserer heutigen Informationsgesellschaft. Warum treffen wir keine besseren Entscheidungen? Wo liegen die Grenzen der Aufklärung?
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2021
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 09.09.2026
Wissen nimmt ständig zu und kann von vielen Orten, zu jeder Zeit abgerufen werden. Es liegt daher nahe zu vermuten, dass die Menschheit aufgrund des Wissens und der verfügbaren Daten auch klüger handelt, um politische oder andere Entscheidungen weitsichtiger zu fällen, um eine gerechtere, friedlichere und nachhaltigere Lebensweise zu ermöglichen. Doch diese Vorstellung ist eine Illusion geblieben.
Informations- und Netzwerkgesellschaft.
Der Begriff "Wissensgesellschaft" kennzeichnete den Übergang von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft und von dieser in das "Zeitalter der Infosphäre", wie Luciano Floridi vom Oxford Internet Institute es nennt. Dieser Transformationsprozess ist durch die Digitalisierung enorm beschleunigt und vielfältiger geworden. Deshalb sprechen heute viele Wissenschaftler nicht nur von einer Wissens-, sondern auch von einer Informations- und Netzwerkgesellschaft.
Digitale Medien vorherrschend
Entsprechend hat die Digitalisierung Gesellschaften in fast allen Bereichen verändert. Wirtschaft, Verwaltung und Freizeit sind ohne digitale Medien kaum noch vorstellbar. Aus diesem Grund versuchen die EU und die deutsche Bundesregierung die Möglichkeiten, die sich aus den digitalen Technologien ergeben, für den Einzelnen und die Demokratie zu nutzen. Die Vorhaben scheinen in der Aus- und Fortbildung noch zu funktionieren, in der Politik und Freizeit kommen die Partizipation und digitale Kompetenz aber an ihre Grenzen.
Identität entsteht in den sozialen Medien.
Mit dem technologischen Wandel geht nach Ansicht des Philosophen Vilém Flusser ein Bedeutungsverlust der "Dinge" einher. "Unsere Obsession gilt nicht mehr den Dingen, sondern Informationen und Daten. Wir produzieren und konsumieren inzwischen mehr Informationen als Dinge", schreibt Byung-Chul Han in seinem neuen Buch.
Er sieht in dem informellen Chaos die Gefahr eines Absturzes in eine postfaktische Gesellschaft. Freiheit werde mit Konsum gleichgesetzt, und Identität entstehe zunehmend in den sozialen Medien. Sind dies dezidierte Gründe für die wachsende Bildungskluft und die Spaltung der Gesellschaft?
Muster und Verzerrungen
Die Verhaltensökonomie sucht nach anderen Kriterien, um unterschiedliche Entscheidungen bei gleicher Informationslage zu erklären. Nobelpreisträger Daniel Kahneman untersucht beispielsweise Störfaktoren, sogenannte Biases, die unsere Urteilskraft beeinflussen.
Führen mentale Muster und Verzerrungen in der Informationsverarbeitung zu abweichenden Bewertungen? Was nützen unsere wachsenden und jederzeit zugänglichen Wissensbestände, wenn die Informationsressourcen in unvernünftige Entscheidungen münden?
Krise der Aufklärung
All das – die Prozesse der Digitalisierung, der Wandel der Gesellschaft und die neuen Erkenntnisse über Verzerrungen im Wahrnehmen, Denken und Urteilen - führen zu der Frage, ob es Zeit ist, das Projekt der Aufklärung nicht nur anders, sondern auch radikal neu zu denken.
Denn klar ist, dass sich herkömmliche Vorstellungen von Rationalität, Entscheidungsfindung, Lebensweise oder dem, was in der Netzgesellschaft als "gut" gelten kann, zum Teil stark von dem unterscheiden, was in der Epoche der Aufklärung und in der Moderne Geltung hatte. Doch wie sieht die Antwort auf diese Krise der Aufklärung aus?
Gäste
Michael Hampe ist Professor für Philosophie an der ETH Zürich. Seine gegenwärtigen Arbeitsgebiete sind Philosophie und Geschichte der Erfahrungswissenschaften, Wissenschaft und Öffentlichkeit sowie Techniken der Selbsterkenntnis.
Vera King ist Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt am Main und Professorin für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität. Sie erforscht insbesondere die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Bedingungen und individuellen Entwicklungen, zwischen Kultur und Psyche.
Hartmut Rosa ist Direktor des Max-Weber-Kollegs der Universität Erfurt und Professor für Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er forscht u.a. zu Zeitdiagnose und Moderneanalyse, normativen und empirischen Grundlagen der Gesellschaftskritik sowie Subjekt- und Identitätstheorien.