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Reif für den Knast?
Wenn Kinder schwere Straftaten begehen, gehören sie dann in den Strafvollzug? Ab welchem Alter kann ein Mensch verantwortlich gemacht werden für das, was er tut?
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Die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung einer 18-Jährigen durch fünf Kinder und Jugendliche in Mülheim an der Ruhr 2019 hat diese Debatte neu angefacht. Die Polizei darf nicht gegen zwei zwölfjährige mögliche Mittäter ermitteln. Als Kinder genießen sie besonderen Schutz.
Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, fordert deshalb, die Strafmündigkeit in Deutschland auf ein Alter von zwölf Jahren herabzusetzen. Ihm geht es dabei aber nicht vorrangig um Bestrafung. Er plädiert für eine Senkung des Strafmündigkeitsalters, die es ermöglicht, früher und effektiver einzugreifen.
Welches Modell ist das richtige?
In Deutschland und Österreich sind Jugendliche im Alter von 14 Jahren strafmündig. In der Schweiz, in Australien und Großbritannien hingegen sind schon Kinder ab ihrem zehnten Geburtstag strafmündig. Welches Modell ist das richtige? Und wie können Wissenschaftler herausfinden, ob ein Kind oder ein Jugendlicher überhaupt schuldfähig ist?
Der Deutsche Richterbund hat sich gegen eine Absenkung des Alters für Strafmündigkeit bei Kindern ausgesprochen. Die Gleichung "Mehr Strafrecht gleich weniger Kriminalität" gehe nicht auf, erklärte der Vorsitzende des Richterbundes Jens Gnisa.
Individuelle Fallbetrachtung?
Neuropsychologen wie Prof. Dr. Kerstin Konrad von der Rheinisch-Westfälischen Technische Hochschule (RWTH) Aachen sind gegen starre Altersgrenzen: "In den letzten Jahren haben wir gemerkt, dass während der Adoleszenz nicht nur ein Feintuning im Gehirn abläuft, sondern dass sich das gesamte Gehirn noch einmal sehr stark verändert. Diese Entwicklungen erreichen ihr Plateau erst zu Beginn der dritten Lebensdekade - erst dann hat das Gehirn die Reife eines erwachsenen Gehirns erreicht."
Außerdem zeigen neue Forschungsergebnisse, dass die Hirnentwicklung unterschiedlich schnell verläuft. Einige Neuropsychologen fordern deshalb, dass junge Straftäter unabhängig von der Strafmündigkeit individuell betrachtet und jedes Gerichtsurteil mit Rücksicht auf ihren Entwicklungsstand gefällt werden muss.