Film
Ab 18! - Chao's Transition
Der Dokumentarfilm begleitet die junge Transfrau Chao auf der Suche nach ihrer Identität zwischen den Geschlechtern und Kulturen.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2021
- Datum:
- Verfügbar in
- D / CH / A
- Verfügbar bis:
- bis 05.12.2024
- FSK
- FSK 12
- von 20 bis 6 Uhr
Schwerpunkt
Chao, 25, wurde in Japan als Sohn einer Chinesin geboren und lebt seit ihrem fünften Lebensjahr in der Schweiz. Schon als Kind war Chao klar, dass sie ein Mädchen ist. Nun möchte sie den Schritt wagen und ihr Geschlecht durch eine OP angleichen.
Nicht nur die bevorstehende Operation beschäftigt Chao. Sie ist eine begabte Zeichnerin und bereitet sich für die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule in Zürich vor. In ihren Bildern drückt Chao ihre Sehnsüchte, Erinnerungen und Träume aus.
Chao ist eine willensstarke und souveräne Person, dennoch fühlt sie sich als Frau nicht vollständig und wünscht sich alle körperlichen Merkmale einer cis-Frau, das heißt einer Frau, deren Geschlechteridentität auch mit den körperlichen Geschlechtsmerkmalen übereinstimmt. Denn selbst in einer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft wie der schweizerischen hat Chao den Eindruck, dass Trans- und Cis-Personen noch nicht gleichgestellt sind. Als Künstlerin ist Chao ästhetische Perfektion sehr wichtig, Sie entscheidet sich, die geschlechtsangleichende Operation trotz der hohen Kosten in Thailand durchführen zu lassen, da ihr die Ergebnisse der Chirurgie dort besser gefallen als in der Schweiz. Doch die Pandemie durchkreuzt ihre Pläne.
Die beiden Dokumentarfilmerinnen Mieko Azuma und Susanne Mi-Son Quester haben Chao auf dem Weg ihrer Transition begleitet und dabei ein ebenso nüchtern-lakonisches wie verspielt-poetisches Porträt ihrer Protagonistin gezeichnet, in dem sich Animationsfilm-Sequenzen mit dokumentarischen Beobachtungen verschränken.
Mieko Azuma wurde 1977 in Kioto, Japan, geboren und studierte an der Kunsthochschule Kanazawa und der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Dort sowie an der Korean National School of Arts in Seoul, Südkorea, absolvierte auch Susanne Mi-Son Quester ihr Filmstudium. Sie wurde 1979 in Starnberg geboren. Filme (Auswahl): "Warum ich hier bin" (Mieko Azuma und Susanne Quester, 2018), "Paju - Die innere Teilung" (Susanne Quester, 2019), "August" (Mieko Azuma, 2011).
3sat zeigt den Dokumentarfilm "Chao's Transition" von Mieko Azuma und Susanne Mi-Son Quester im Rahmen der Reihe "Ab 18!", in der Regisseur*innen mit außergewöhnlichen filmischen Handschriften Geschichten vom Erwachsenwerden erzählen.
Interview mit Mieko Azuma und Susanne Mi-Son Quester
Sie beide sind erfahrene Filmemacherinnen im Dokumentarfilm-Bereich und haben schon Anfang der 2000er-Jahre zusammengearbeitet. Wie würden Sie diesen Film in Ihr beider bisheriges Schaffen einordnen?
Auf jeden Fall ganz weit oben. :) Nach unserem letzten gemeinsamen Dokumentarfilm "Warum ich hier bin", in dem wir verschiedene Migrationsgeschichten ineinander verschränkt erzählt haben, hatten wir Lust auf etwas ganz Einfaches: ein gefühlvolles und nahes dokumentarisches Porträt. Das war für uns wie eine Rückkehr oder die Sehnsucht nach dem, was uns ursprünglich am Dokumentarfilm fasziniert hat. Bei "Chao's Transition" sind dann einige Faktoren glücklich zusammengekommen: dass wir wieder zusammen Regie führen wollten, dass Mieko Chao kennengelernt hat und dass Chao als Protagonistin gut zur Ausschreibung der 3sat-Dokumentarfilmreihe "Ab 18!" gepasst hat. In gewisser Weise hat uns auch Corona Glück gebracht, sonst wären wir mit anderen Projekten ausgelastet gewesen und Chao hätte auch viel weniger Zeit gehabt.
Wie haben Sie Chao Arakawa kennengelernt, und wann stand für Sie fest einen Film über sie drehen zu wollen?
Eine japanische Freundin in Zürich erzählte Mieko, dass sie eine interessante Person kenne, die sie unbedingt kennenlernen sollte. Auf Instagram sahen wir zum ersten Mal Chaos provokative Bilder und ihren speziellen Humor. Als Mieko Chao jedoch zum ersten Mal traf, war sie sehr zurückhaltend und sprach mit ihr auf Japanisch in der maximalen Höflichkeitsform. Chaos Umgang mit den Kultur- und Geschlechtergrenzen in der Schweiz hat uns fasziniert und erstaunlicherweise auch an eigene Erfahrungen erinnert. Nach dem ersten gemeinsamen Skype-Gespräch war klar, dass wir einen Film über sie machen wollten.
Der Film enthält Selfie-Aufnahmen und Animationssequenzen, die in eine hybride Form der Bildsprache übergehen. Wie kam es zu diesen stilistischen Entscheidungen, und was war der Kerngedanke dahinter?
Die "Selfie-Aufnahmen" sind bei Videotelefonaten entstanden und der Situation geschuldet, dass wir von Deutschland aus und teilweise wegen der Corona-Auflagen nicht immer bei Chao in Zürich sein konnten. Wir wollten diese Gespräche, die wir etwa einmal im Monat geführt haben, unbedingt im Film haben, auch weil sie uns typisch erschienen für diese Zeit.
Mit animierten Sequenzen haben wir schon in unserem letzten Film "Warum ich hier bin" gearbeitet und festgestellt, dass man mit ihrer Hilfe Vergangenes emotional zugänglich und phantasievoll erzählen kann. In "Chao's Transition" wollten wir mit den Animationen Chaos innere Welt darstellen und eine weitere Ebene in den Film einführen, durch die sich Chaos vielseitige Persönlichkeit visuell und emotional eindringlich ausdrückt.
Chao Arakawa zeichnet selbst. Wurde sie für die Animationssequenzen des Films mit eingebunden?
Ursprünglich hatten wir geplant, dass Chao das Character Design für die Animationen selbst erstellt. Das hat sich im Laufe der Dreharbeiten jedoch als utopisch erwiesen, weil sie zu der Zeit voll mit ihrer Mappe für die Kunsthochschule beschäftigt war. Wir haben schließlich eine andere Zeichnerin engagiert, die sich bei ihren Entwürfen jedoch von Chaos Zeichnungen inspirieren ließ.
Im Film kommen verschiedene Schauplätze und Personen aus dem Leben der Protagonistin vor. Gab es bestimmte Aspekte, nach denen Sie gezielt gesucht haben und unbedingt einfangen wollten?
Wir haben uns überlegt, welche Facetten von Chaos Leben wir abbilden wollen und nach passenden Situationen gesucht - das war zunächst alles rund um die OP, die Vorbereitungen für die Aufnahmeprüfung, ihr Job im Restaurant, Chaos Familie und ihre Freunde. Durch die Corona-Beschränkungen wurde der Radius unserer Dreharbeiten dann etwas eingeschränkt. Das ist der Grund, warum man im Film vergleichsweise wenig von Chaos Sozialleben mitbekommt.
Wie hat die Protagonistin nach der Fertigstellung des Films auf dieses sehr persönliche Porträt reagiert?
Gut! Chao mag den Film. Sie hat uns gelobt, dass er gut geschnitten sei. Auch die animierten Sequenzen gefallen ihr, und Chao meinte, dass einige Kindheitserinnerungen genauso dargestellt sind, wie sie sie in Erinnerung hat. Chao ist ein sehr medienbewusster Mensch. Sie wollte bei den Dreharbeiten immer wieder Material sehen und hat sozusagen kontrolliert, wie sie dargestellt wurde. Für uns war das in Ordnung, denn es war uns wichtig, dass sie sich wohlfühlt mit dem, was sie uns von sich zeigt.
Interview: Simeon Scholz (2021)