Kultur
"Kulturzeit" vom 13.09.2024: Charkiws Kulturszene im Krieg
Die Themen der Sendung: Kulturszene in Charkiw, Hasnain Kazim im Gespräch über seine "Deutschlandtour", sowjetische Soldaten auf deutschen Friedhöfen, Frank Castorf inszeniert "Kleiner Mann, was nun" in Berlin, von Katzen und Hunden.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2024
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 13.09.2025
Die Themen der Sendung:
Ukraine: Charkiws Kulturszene im Krieg
Charkiw, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt, erlebt fast täglich russische Attacken auf Zivilisten in ihren Wohnhäusern am helllichten Tag, mit vielen Opfern. Es ist ein Leben in ständiger Gefahr, das auch der Schriftsteller und Friedenspreisträger Serhij Zhadan aus Charkiw so erlebt. Freiwillig hat er sich zum Militär gemeldet und moderiert regelmäßig bei einem mobilen Radiosender. Er will zeigen, dass die Armee nichts Furchterregendes ist, sondern Spiegelbild der Gesellschaft. Regelmäßig holt er dafür Verteidiger seiner Heimat ans Mikrofon.
Im Nationalballett bereiten sie sich auf die neue Spielzeit vor – auch wenn es nicht die große Bühne sein kann, das ist einfach zu gefährlich – viele Etagen unter der Erde proben sie für die Premiere, die vor kleinem Publikum gespielt werden soll. Die Decken des Bunkers schirmen sie ab vom Krieg draußen. "Wir sind Künstler, wir stehen auf der Bühne und verbringen den ganzen Tag hier, das ist wie unser Zuhause", sagt Antonina Radiewska, die Leiterin der Ballettcompagnie. "Wir denken mehr an die Kunst und über neue Projekte nach als über das, was draußen auf der Straße und in unserem Land passiert. Lasst uns an das Beste denken, dann kommen wir durch diese schwere Zeit, bis irgendwann wieder Frieden ist." Davon sind sie in Charkiw noch weit entfernt – aber in der Stadt von Kultur und Kunst lassen sie sich den Mut nicht nehmen.
Hasnain Kazim über sein Buch "Deutschlandtour"
Mit dem Rad war der Journalist Hasnain Kazim unterwegs in Deutschland und hat die Menschen gefragt: Was ist Heimat? Was eint, was trennt uns? Was ist Diversität? Wir haben mit ihm über seine Beobachtungen gesprochen.
Beitrag und Gespräch
Gestorben und vermisst - sowjetische Soldaten auf deutschen Friedhöfen
Vor 30 Jahren, im August 1994, zogen die letzten Sowjets aus Ostdeutschland ab. Zurück ließen sie ihre Friedhöfe und Heldendenkmäler, fast 4000 an der Zahl. Auf dem idyllischen Garnisonsfriedhof in Dresden sind mehr als 2300 Angehörige der Sowjetarmee beerdigt, darunter Zivilangehörige und auch Kinder. Manche der Soldaten starben in den letzten Kriegstagen, andere in der langen Zeit der Besatzung. Oft gab es zahlreiche Tote bei Manövern, die vielen Selbstmorde wurden oft vertuscht. Bestanden Familien auf eine Überführung, erhielten sie ihre Liebsten in einem Zinksarg zurück, der nicht mehr zu öffnen war. Über die genaueren Todesursachen und Umstände wurde den Angehörigen so gut wie nichts mitgeteilt.
Janne Jannke, eine junge Dresdner Friedhofsdetektivin, hat die Geschichten der Toten auf dem Garnisonsfriedhof in jahrelanger Arbeit recherchiert. Nach einem zufälligen Besuch auf dem Friedhof im Frühjahr 2010 hat die damalige Studentin das Schicksal der Unbekannten Toten nicht mehr losgelassen. Sie konnte Angehörigen, die oft jahrelange verzweifelt auf der Suche nach einem Grab, einem Ort der Trauer und den möglichen Todesursachen waren, wichtige Informationen und Hinweise geben. Nach der Besetzung der Krim 2014 durch russische Truppen wurde der Austausch schwieriger, Kontakte brachen ab. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Janne Jannkes Engagement jedoch nicht verändert. Auf dem Friedhof finden sich mehr als ein Dutzend Nationalitäten wieder. Unter den Toten, die auf dem Dresdner Friedhof ruhen, sind auch Ukrainer.
Frank Castorf inszeniert Falladas "Kleiner Mann - was nun?" am Berliner Ensemble
Bei seiner Inszenierung von Hans Falladas Roman "Kleiner Mann - was nun?" geht es Frank Castorf um das Standhalten gegen eine schleichende Ausbreitung des Faschismus. "Wie lange reicht der Mut, das menschliche Ethos, die Moral, wenn es um den Job geht, die Kohle, die bürgerliche Existenz", sagt er zu seiner Motivation, den Stoff ins Theater zu bringen. Castorf, der von 1992 bis 2017 die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz leitete, sieht sich selbst als "Widerspruchsgeist", der oft in Opposition zum Gesellschaftssystem stand. "Im kommunistischen Regime war ich Antikommunist, und im Kapitalismus bin ich Kommunist geworden", so der Regisseur. Wir waren bei den Proben zu "Kleiner Mann - was nun?".